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Reform als Nullsummenspiel

Innensenator Körting will das Berliner Modell, die Organisationsreform der Polizei, ausweiten, hat dafür aber erst einmal keine Mittel. Roland Gewalt (CDU): Der Senat lässt die Reform verhungern

von PLUTONIA PLARRE

Besonderen Einfallsreichtum hat man der Polizei noch nie nachsagen können. Deshalb ist es kein Wunder, dass sie einem ihrer wichtigsten Reformprojekte den nichts sagenden Titel „Berliner Modell“ gab. Dahinter verbirgt sich eine grundlegende Umwälzung der Arbeits- und Organisationsstruktur der Berliner Polizei – die größte, die in der Behörde seit den 70er-Jahren vorgenommen wurde. Gut viereinhalb Jahre nach Beginn des Probelaufs hat die Polizei jetzt in einem Abschlussbericht Bilanz gezogen, der gestern im parlamentarischen Innenausschuss vorgestellt wurde.

Berliner Modell heißt nichts anderes, als dass die Schutzpolizei verstärkt in die Kriminalitätsbekämpfung eingebunden wird, um die Beamten von der Kripo zu entlasten. Diese sollen dadurch mehr Zeit für die Aufklärung schwerer Straftaten bekommen. Zu den weiteren Zielen der Polizeireform gehört, dass die Schutzpolizei „mehr Grün“ –sprich: mehr Präsenz – auf der Straße zeigt, der starre 12-Stunden-Schichtdienst durch flexiblere Arbeitszeiten ersetzt wird und Funkstreifen und Abschnitte mit Computern ausgestattet werden.

Das Modell wurde Anfang 1998 in der Direktion 5 (Neukölln und Kreuzberg) erprobt. Mittlerweile erstreckt es sich auf vier der sieben Berliner Polizeidirektionen. „Es gibt keine bessere Alternative“, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern. „Die Probezeit ist vorbei, wir übernehmen das Modell, trotz vieler Probleme – auch in finanzieller Hinsicht.“ Seine ganze positive Wirkung entfalten könne das Reformprojekt allerdings erst, wenn es flächendeckend auf alle Polizeidirektionen ausgeweitet worden sei, sagte Körting.

Wann das der Fall sein wird, steht in den Sternen: Hinter dem Haushaltstitel „Berliner Modell“ für 2002/2003 steht eine kreisrunde Null. Für bauliche Veränderungen und Ausrüstung der übrigen Direktionen mit Computertechnik seien keine Mittel vorhanden, sagte Körting. Erst im Haushaltsplan 2004 sei an eine Erweiterung des Modells zu denken, so Körting.

Derweil wird in der Führungsetage der Polizei bereits an der nächsten Reform gearbeitet: der Zusammenlegung von Polizeiabschnitten, auch Reviere oder Wachen genannt. In Berlin gibt es 48. Geplant ist bisher, dass 6 Abschnitte zu 3 zusammengeführt werden. Polizeipräsident Dieter Glietsch (SPD) zufolge ließen sich aber durchaus noch mehr bündeln. Es gehe nicht darum, Einspareffekte zu erzielen, sondern die Polizeiarbeit zu optimieren, so Glietsch. Größere Einheiten ließen sich „personell besser führen“.

Der innenpolitische Sprecher der CDU, Roland Gewalt, startete eine seiner üblichen Litaneien und warf der rot-roten Koalition vor, das Berliner Modell verhungern zu lassen. Mit diebischem Vergnügen konstatierte der Fraktionschef der Grünen, Wolfgang Wieland, dass es der letzte kraftlose Auftritt Gewalts war. Denn auf den Hinterbänken im Bundestag wird der frisch gebackene Mandatsträger wohl keine Gelegenheit zum Reden mehr haben.

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