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Die sich souverän zum Titel träumen

Die US-Basketballerinnen bieten bei der WM in China ein sehr viel eindrucksvolleres Bild als ihre männlichen Kollegen

BERLIN taz ■ US-Coach Van Chancellor wird als König des Understatement in die Annalen der Weltmeisterschaft eingehen. Eindringlich warnt er nach jedem Sieg der Seinen vor dem nächsten Gegner, der es ihnen sicherlich nicht leicht machen würde. So auch vor dem Spiel gegen Frankreich, als Europameisterinnen im Kreis der Favoriten. „Frankreich hat uns in Australien alles abverlangt, deshalb müssen wir unser Rebounding verbessern“, erinnerte der Trainer seine Spielerinnen an die Olympischen Spiele in Sydney.

Doch auch damals hatten die US-Basketballerinnen letztlich gewonnen, und in Changzhou machten sie kurzen Prozess. 101:68 lautete das Endergebnis, und in keiner Phase des Spiels konnten die Französinnen den Spielerinnen um Lisa Leslie Paroli bieten. Die 1,96 große Center-Spielerin der Los Angeles Sparks ist der Superstar im US-Team. Sie führte ihre Mannschaft zur Titelverteidigung in der WNBA, der US-amerikanischen Frauen-Profiliga, und wuchtete Ende Juli den Ball per Dunking durch den Korb – als erste Frau weltweit in einem Pflichtspiel. Allerdings ist sich die Ausnahmeathletin im Gegensatz zu manchem ihrer männlichen Berufskollegen nicht zu schade, für ihr Land anzutreten. Ausflüchte wie bei den Männern, deren Auswahl bei der WM im eigenen Land nicht mit den Besten aus der NBA antrat und enttäuschte, gibt es bei den Frauen nicht. Die präsentieren sich in China als Team und nicht als heterogenes Bündnis von Selbstdarstellerinnen. Dafür sorgt auch der Stab an der Seitenlinie. Neben Coach Van Chancellor, der sonst die Houston Comets betreut, geben Anne Donovan, Marianna Freeman und Gail Goestenkors wertvolle Tipps. Donovan, die dreimal für die USA bei Olympia antrat, ist Headcoach von Charlotte Sting, Freeman betreut das College-Team von Syracuse und Goestenkors das der Duke University.

Nun spazieren die US-Girls förmlich durch das Turnier, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie immer noch zulegen könnten, wenn es eng werden sollte. Doch das war bisher nicht der Fall. Selbst die Russinnen, von denen einige in der WNBA spielen, konnten nicht lange mithalten und zogen mit 89:55 den Kürzeren.

Auch im ideologisch geprägten Duell mit den Kubanerinnen, immerhin Siebte bei der letzten WM in Deutschland, ließ das US-Team keinen Zweifel an seiner Überlegenheit. 87:44 lautete das Endergebnis, mit dem die Frauen von der Insel noch gut bedient waren. Die waren nach dem zweiten Platz in der Lateinamerika-Qualifikation hinter Brasilien zuversichtlich nach China gereist, obwohl die Vorbereitung alles andere als optimal war. Kaum international angetreten war die Frauschaft um Center Yamilet Martínez Calderón, die bei der letzten WM zu den besten Spielerinnen gehörte, weil dem Verband das Geld für die Reisen fehlte. Die Quittung erhielt man postwended, denn statt um die anvisierte Medaille spielt man nun um die Plätze 9 bis 12.

Doch letztlich tun sich nahezu alle Mannschaften schwer, den Anschluss an das Dream Team herzustellen. Auch die Spanierinnen, die mit Amaya Valdemoro eine der treffsichersten Werferinnen in ihren Reihen haben, können sich nur Außenseiterchancen im heutigen Viertelfinalspiel in Nanjiing ausrechnen. Zu gleichmäßig ist die USA besetzt, und nahezu alle Spielerinnen sind für einige Körbe gut. Falls Lisa Leslie einen schlechten Tag erwischt, springen Katie Smith, Sheryl Swoopes oder Natalie Williams in die Bresche. Coach Chancellor kann aus dem vollen Schöpfen und lässt fleißig routieren, was sich die anderen Teams nicht leisten können. Schlagen können sie sich scheinbar nur selbst auf ihrem Weg zur Titelverteidigung, der wie bei Olympia wieder über Australien führen könnte. Ist doch bislang auch kein Anflug von Überheblichkeit festzustellen – dafür sorgen schon das Beispiel des gestrandeten US-Männerteams und die Präsenz des US-Fernsehens vor Ort. KNUT HENKEL

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