: Bagger zu Bauwagen
Bezirksamt Eimsbüttel lässt Bauwagenplatz am Paciusweg räumen – „wegen der Wohnbebauung direkt nebenan“. Bewohner retten, was geht: Kerzenleuchter, Stühle und Wagen. Sie wären gern geblieben
von SANDRA WILSDORF
Sie hatten bis zum Ende nicht glauben wollen, dass es wirklich Ernst wird. Aber gestern, am Vormittag, kamen die Bagger: Der Bauwagenplatz Paciusweg in Eimsbüttel wird vom Bezirksamt und einem beauftragten Entsorgungsunternehmen geräumt. Bis heute Abend soll der Platz leer sein. Dass sie hier nicht bleiben dürfen, das wissen die ehemals 20 Bewohner schon länger – der Pachtvertrag war im März ausgelaufen, das Bezirksamt hatte die Räumung bis Ende September angeordnet. Begründung: Der Platz ist nicht legalisierungsfähig – „wegen der Wohnbebauung direkt nebenan“, sagt Helmut Walkowski vom Bezirksamt.
Eine Frau rettet Stühle, Kerzenleuchter und Wäschekorb vor den Baggern. Marika weint und verabschiedet sich von der großen Kastanie auf dem Platz. Ihre jetzt dreijährige Tochter ist hier geboren, „inzwischen haben wir auch eine Wohnung, aber mit Menschen zu leben, das ist etwas ganz anderes“. Sie verstaut alles in ihrem Wagen, „Hasenmicha“ ist mit seinem Traktor gekommen, er zieht erst mal diejenigen, die das wollen, zu einem anderen Bauwagenplatz.
Nicht alle sind dazu bereit. „Wir wollen nicht einfach gehen“, sagt Olaf, der seit acht Jahren hier wohnt. Er hat sich einen Garten eingerichtet, mit bemalten Steinen, Stühlen und Weihnachtsmännern, die am Baum hängen. Er fürchtet: „Wenn wir gehen, dann machen sie bei den anderen weiter.“ In der Tat gibt es den erklärten Willen des Senats, bis 2006 alle Hamburger Bauwagenplätze räumen zu wollen.
Im Paciusweg bedroht der Wille zum Exempel nun die Wagen. Denn Helmut Walkowski beurteilt, ob sich ein Transport noch lohnt. Wenn nicht, greift der Bagger zu. Wenn doch, lässt der Bezirksbeamte die Wagen auf einen Übergangsplatz bringen. Dort können die Bewohner sie dann auslösen – gegen Bezahlung der Kosten für Transport und Aufbewahrung. Der rote Londoner Doppeldecker, der etwa 30 Jahren alt ist und den Olaf „noch fertig machen wollte“, wird wohl auch verschrottet.
Was gestern passierte, hat eine Vorgeschichte: Der Bezirk hatte gemeinsam mit den Bauwagenbewohnern nach einem alternativen Platz gesucht. Sie fanden einen in Niendorf an der Kollau. Aber damals „sollten wir 60.000 Mark bezahlen, das konnten wir nicht“, sagt Olaf. „Die Bewohner sollten Eigenarbeiten leisten, wie Unkrautbeseitigung und einen Zaun ziehen, aber die Gruppe konnte sich nicht organisieren“, sagt hingegen Walkowski. Und so wurden ihnen Wohnungen angeboten, einige haben sie genommen, andere haben ihre Wagen woanders hingebracht. Gestern waren nur noch etwa sechs der ehemals 20 Bewohner da. Eigentlich sollte der Platz bis zum 23. September geräumt sein, „doch als sie nicht kamen, da dachten wir, sie ließen uns in Ruhe abziehen“, sagt Marika. Sie hätten den Platz doch verlassen, sagt sie und erzählt, wie der Bagger auf den Müllhaufen geschoben hat, was eine Frau gerade in Sicherheit bringen wollte. „Die hat jetzt nur noch eine Hose.“
Was mit dem Gelände passiert, ist noch unklar, die Freiwillige Feuerwehr ist ebenso im Gespräch wie eine Quartiersgarage. „Ich wette, die nächsten zwei Jahre passiert hier erst mal gar nichts“, sagt einer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen