: Jenseits der Schwerkraft
Sanitäter stehen schon bereit: Ostasiens Pop- und Filmstar Andy Lau stellt heute im Metropolis sein durch Bond-Elemente leicht ironisiertes Kostüm-Spektakel „Das Duell in der verbotenen Stadt“ vor
von TOBIAS NAGL
Andy Lau ist ein Phänomen der Superlative: Mit über fünfzig veröffentlichten Alben ist er einer der erfolgreichsten Popstars der Welt, mit einer Filmographie von über hundert Filmen einer der meistbeschäftigsten und erfolgreichsten Schauspieler, nicht nur Hongkongs, sondern ganz Ostasiens. Kurz: Andy Lau ist sicher eine der hardest working One-Man-Boygroups des globalen Popmarkts.
Und selbst wenn Andy Lau nur einmal kurz lächelt, dann macht er das als millionenschweres Unternehmen. Manchmal macht er selbst das nicht: Bei Dreharbeiten habe er sich auch schon mal geweigert, hält sich ein hartnäckiges Gerücht – weil Lächeln seine kleinen Fältchen offenbaren würde. Grund dazu hat er eigentlich nicht. Andy Lau sieht wahnsinnig gut aus, und mit vierzig Lenzen ist zumindest bei Männern mit seinem Aussehen so viel kosmetisches Bewusstsein eigentlich kaum von Nöten.
Andy Lau aber wäre kein Star, würden selbst solche Geschichten seine Leinwand-Aura nicht pflegen und mehren. Denn genau dafür lieben ihn seine unzähligen weiblichen Fans. In vielem erinnert ihre Verehrung an die Rudolf Valentinos, dem Hollywood-Blueprint aller Latin Lover, bei dessen Beerdigung in den zwanziger Jahren es zu regelrechten Tumulten kam. Wie bei ihm übernimmt auch bei Lau der männliche Körper die Funktion des Angeschautwerdens. Das macht ihn immer ein wenig zu einer masochistischen Figur: Gerne verletzt er sich in Schwertkämpfen an einer unbedeutenden „Stelle“ – und wird dadurch erst recht zum Objekt des Begehrens, der Verführung und der Rettung durch seine Fangemeinde. Auch deshalb bleiben bei seiner Verehrung, wie bei der Valentinos, weiße Männer meist außen vor.
Blickt er in seinen Filmen aber selbst einmal auf eine Schöne, dann ist es, als öffne sich der Himmel und dessen Heerscharen ritten persönlich mit Pauken und Trompeten zur Erde. Dann gefriert sein Abbild auf der Leinwand, Engelschöre jauchzen, und aus den Sergio-Leone-Augen-Close-ups weht ein Hauch von Ewigkeit. Stirbt in seinen Armen eine Frau – oder stirbt er in den Armen einer Frau –, dann ist die melodramatische Klimax eines jeden Andy Lau-Films erreicht: In der Martial-Arts-Extravaganza Das Duell in der verbotenen Stadt (2000) geschieht letzteres, und in dem minutenlangen Hinsinken, Schieben und Ziehen kehrt sich der romantische in einen deutlich sexuellen Subtext.
Andy Lau ist damit im Westen weitgehend ein Unbekannter geblieben, auch wenn sich das mit dem Start von Johnnie Tos Gangsterfilm in der Tradition Melvilles oder John Woos Fulltime Killer ändern mag, in dem Lau einen extravaganten Profikiller darstellt. Um Lau die Verehrung zukommen zu lassen, die er verdient, läuft diesen Monat im Metropolis eine Andy Lau-Retrospektive. Darin war er bisher in drei seiner bekannsten Rollen zu sehen: Etwa in der des abgebrühten Kleinkriminellen Ah Wah in Wong Kar-Wais Meanstreets-Remake As Tears Go By (1988), als Polizist, ebenfalls an der Seite Maggie Cheungs, in dessen mambogesättigtem Liebesreigen Days of Being Wild (1991) – oder als todkranker, blutspuckender Gangster in Johnnie Tos Running Out of Time (1999), einem regelrechten Maso-Showcase.
Dance of a Dream (2001) gehört vielleicht nicht unbedingt zu seinen besten Filmen, zeigt ihn aber als Tanzlehrer: Für seine Fans dürfte damit eh schon alles klar sein. Im durch James Bond-Elemente leicht ironisierten Kostüm-Spektakel Das Duell in der verbotenen Stadt (2000) spielt Lau mit lustiger Fantasy-Langhaarperücke einen legendären Schwertkämpfer, den nicht einmal die Schwerkraft zurückhält. Aber nicht immer ist Fliegen schöner. Andy Lau ist heute im Metropolis zur Premiere des Films, bei dem er selbst Regie führte, leibhaftig anwesend. Die Absperrungen, so gut unterrichtete Kreise, sollen sich bis zum Dammtorbahnhof ziehen. Sanitäter stehen bereit.
heute, 19 Uhr; Das Duell in der verbotenen Stadt läuft auch 20. + 30.9., 21.15 Uhr; Dance of a Dream: 22.9., 19.15 Uhr, 23.9., 21.15 Uhr, 30.9., 19 Uhr, Metropolis
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen