Die zweite Chance

Über die Einrichtung eines Bundesministeriums für Kultur sollte jetzt ernsthaft nachgedacht werden. Ein Plädoyer

Immerhin: Niemand scheint daran interessiert zu sein, das Amt des Staatsministers für Kultur wieder abzuschaffen. Irgendwie haben sich alle an dieses Fastministerium, das um die seltsam verquast benannte Stelle eines „Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien“ herumgebaut wurde, gewöhnt. Auch das kann man ja zunächst einfach mal festhalten, zumal sie bei ihrer Einführung 1998 nicht nur für intellektuelle Aufbruchstimmung, sondern auch für Irritation gesorgt hat. Allerdings ist vor dem Hintergrund der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen die Diskussion um den Zuschnitt dieser Stelle wieder aufgeflammt.

Ausgangspunkt ist ein Vorstoß der Grünen. Sie regen an, aus dem Quasiministerium ein richtiges Ministerium zu machen, andere Länder – Frankreich! – haben so etwas schließlich auch. Eine Kandidatin wird gerüchteweise auch gehandelt: Antje Vollmer, zuletzt Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages mit großen Ambitionen für die Belange der Kultur.

Sogleich aber regt sich Widerstand gegen die Aufwertung des Bundesbeauftragten zum Bundesminister – wie auch immer er oder sie auch heißen möge. Doch die dabei angeführten Argumente sind bei Licht betrachtet ziemlich fragwürdig. Der Deutsche Kulturrat etwa hält ein Bundeskulturministerium für undenkbar, weil es zu wenig Kompetenzen habe. Im gleichen Atemzug aber fordert der Kulturrat eben die Ausweitung der Kompetenzen. Nach den Vorstellungen seines Vorsitzenden Max Fuchs soll der Bundesbeauftragte auch die Belange der auswärtigen Kulturpolitik vertreten, bislang liegen sie beim Außenminister. Das aber ist doch interessant. Wenn man alle Aufgaben des Bundes nach Kompetenzen durchforstet, die bei einem Bundeskulturminister gut aufgehoben wären, wird man auf so viele stoßen, dass sich die Argumentation von Max Fuchs von selbst erledigt.

Hans Zehetmair, bayerischer Kulturminister, stößt ins selbe Horn wie der Kulturrat. Auch er fordert, die Zuständigkeit für die auswärtige Kulturpolitik zum Bundesbeauftragten zu verlagern, auch er lehnt aber einen Bundeskulturminister ab. Denn: „Etwas, was es nach der Verfassungslage nicht gibt, braucht kein eigenes Ministerium.“ Damit spielt Zehetmair auf die Kulturhoheit der Länder an. Das aber ist eine Argumentation nach dem Motto, dass nicht sein könne, was nicht sein dürfe; ihr zufolge dürfte es allerdings auch schon keinen Bundesbeauftragten für Kultur geben. Den aber – schlicht, aber wahr – gibt’s. Warum also keinen Kulturminister?

Stimmt schon, großen Glanz verbreitet die Kulturpolitik der Bundesregierung derzeit nicht. Aber warum sich der Möglichkeit versperren, den Schwung des zweiten Anfangs zu nutzen und dies zu ändern? Was spricht dagegen, Kompetenzen zu bündeln? Was spricht gegen die Umschichtung von Haushaltsmitteln in Richtung Kultur? Wer hier den Kampf gar nicht erst aufnimmt, verpasst von vornherein eine Chance. Über die Einrichtung eines Bundesministeriums für Kultur sollte ernsthaft nachgedacht werden. DIRK KNIPPHALS