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Die zerlegte Arbeitszeit

Ein neues Gesetz soll behinderten Arbeitnehmern mehr Selbstständigkeit bringen. Der Hamburger Jörg Schulz aber muss jetzt um seine berufliche Integration kämpfen. Gegen das Integrationsamt

von HEIKE DIERBACH

Jörg Schulz ist Profi. In seinem Halbtagsjob als Diplom-Pädagoge und in der Organisation seines Alltags: Der 42-jährige Hamburger sitzt im Rollstuhl, kann Arme und Hände nur eingeschränkt bewegen. Aber mit zwei AssistentInnen rund um die Uhr hatte er Leben und Job im Griff – bis zum Beginn des Jahres 2001. Seitdem kämpft er darum, seine berufliche Integration zu erhalten. Sein „Gegner“: Das Integrationsamt in der Hamburger Behörde für Soziales und Familie.

Es geht wie fast immer ums Geld. Um die AssistentInnen zu bezahlen, braucht Schulz im Jahr rund 14.000 Euro. Bis Ende 2000 überwies das Amt diese Summe auch anstandslos, allerdings damals noch an Schulz‘ Arbeitgeberin, die Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung (BAG-UB), bei der die AssistentInnen angestellt waren. Zum 1. 10. 2000 aber trat ein neues Gesetz in Kraft, wonach nicht mehr der Arbeitgeber, sondern der behinderte Angestellte Anspruch auf die Finanzierung der Unterstützung hat. Den ArbeitnehmerInnen sollte damit mehr Selbstbestimmung ermöglicht werden. Für Jörg Schulz aber ging der Schuss nach hinten los.

Denn als er für 2001 das erste Mal selbst den Antrag stellte, wollte das Integrationsamt seine AssistentInnen plötzlich nicht mehr voll, sondern nur noch zu 64 Prozent bezahlen. Begründung: Die Unterstützung während der Arbeitszeit beinhalte auch „pflegerische und betreuerische Tätigkeiten, die über andere Leistungsträger abzudecken wären“. Der Bedarf an rein „arbeitsplatzbezogener Assistenz“ betrage täglich nur zwei bis drei Stunden. Sprich: Das Integrationsamt bezahlt nur fürs Aktenholen; wenn der Assistent Schulz einen Kaffee eingießt, soll hingegen das Sozialamt zuständig sein.

Schulz legte Widerspruch ein, woraufhin das Amt sein Angebot auf 80 Prozent erhöhte. Daraufhin reichte Schulz Klage beim Hamburger Verwaltungsgericht ein. Bis es zur Verhandlung kam, verging über ein Jahr – in dem das Integrationsamt nichts zahlte. 64 Prozent der Kosten streckte kulanterweise das Sozialamt des Landkreises Harburg vor, wo Schulz seinen Wohnsitz hat. Den Rest musste er sich von FreundInnen und Bekannten leihen. Denn hätte er seine AssistentInnen nicht bezahlen können, hätte er seinen Job verloren.

Am 9. Juli diesen Jahres entschied das Verwaltungsgericht (Az.: 5 VG 3700/2001): Der Bescheid des Hamburger Integrationsamtes ist rechtswidrig, „weil die Beklagte (das Amt) ihr Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat“. Der Umfang des Anspruches habe sich durch das neue Gesetz nicht geändert. Der neue Paragraph betone das sogar extra mit einer „Übergangsregelung“.

Allerdings verpflichtete das Gericht das Amt nicht zur Zahlung des vollen Betrages – nur dazu, einen neuen Bescheid zu erlassen. Der kam Ende August: Jetzt will das Amt nur noch 66 Prozent bezahlen. Begründet wird dies wiederum mit einem Assistenzbedarf von „zwei bis unter drei Stunden“ und mit den Obergrenzen der Budgets.

Schulz hat sich bei der Behörde über das Integrationsamt beschwert. Dort wird jetzt sein Fall geprüft. Und siehe da – eine erste Durchsicht der Akten hat ergeben, „dass die Beschwerde wohl nicht unbegründet ist“, so Behördensprecherin Anika Wichert.

Ironie des Schicksals: Schulz ist bei der BAG-UB dafür zuständig zu prüfen, wie die Ämter bundesweit das neue Gesetz anwenden – und ob sich die Situation behinderter ArbeitnehmerInnen dadurch verbessert.

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