dreierblock: Volleyball-WM: Argentinien hofft, Kuba bangt
Bitternis auf der Zuckerinsel
Argentiniens Coach Carlos Getzelevich dürfte zufrieden sein. Die Form stimmte zuletzt gegen Kuba, und so träumt er gemeinsam mit 36 Millionen Landsleuten den Traum vom sportlichen Erfolg im krisengeschüttelten Land. Einmal schon ging diese Rechnung auf. Vor zwanzig Jahren gewannen die Argentinier vor heimischem Publikum Bronze.
Doch zum Kreis der Favoriten gehört die Mannschaft um Angreifer Antonio Marcos Milinkovic nicht, eher die Russen, die im August erstmals die Weltliga für sich entscheiden konnten. Außerdem favorisiert: Titelverteidiger Italien, Olympasieger Jugoslawien und der ungeliebte Nachbar Brasilien. Kuba, 1998 immerhin WM-Dritter, hat dagegen Boden eingebüßt. Den Kubanern ist das Top-Personal abhanden gekommen. Nahezu die gesamte Mannschaft hat sich im Dezember 2001 bei einem Turnier in Belgien abgesetzt. Ziel: das Volleyball-Mekka Italien mit der „A Uno“, der italienischen Profiliga, wo fast alle internationalen Stars spielen. Bei Alpitour Cuneo, Roma Volley oder La Cascina Taranto waren vorher bereits viele der kubanische Cracks beschäftigt – bis der Verband die Verträge Ende 2000 kündigte, ohne das Einverständnis der kubanischen Spieler, die zwischen fünfzehn und dreißig Prozent der Grundgehälter und Prämien vom nationalen Verband erhielten. Mit den harten US-Dollars ließ sich in Havanna recht gut leben und so traf die Entscheidung des nationalen Verbandes, die auf Intervention des kubanischen Trainergurus Eugenio George zustande kam, die Athleten gleich doppelt hart – sportlich und finanziell. Die Konsequenz: Flucht.
„Wir wollen nur die Erlaubnis, uns sportlich weiterzuentwicklen und in in der stärksten Liga der Welt spielen“, erklärt Ihosvany Hernández, langjähriger Kapitän der Mannschaft. Doch ohne die Freigabe des Verbandes ist dies nicht möglich. Auf Republikflucht reagieren die Sportfunktionäre empfindlich – gerade bei Vorzeigeathleten. Neben Hernández sind es Leonel Marshall, Angel Dennis, Yasser Romero, Ramon Gato und Jorge Luis Hernández, die der Mannschaft nun nicht mehr zur Verfügung stehen und ihre zweijährige Sperre in Italien abbrummen. Deshalb treten die Kubaner mit einem runderneuerten Team in Argentinien an. Allein Pavel Pimienta und Alaín Roca gehören noch zur ehemals erfolgreichen ersten Garnitur, die bei der letzten WM den dritten Platz hinter Italien und Jugoslawien belegte.
„Von den anderen lernen“ ist denn auch die Devise des neuen Trainers Eliceo Ramos, der aus der Nachwuchsmannschaft eine schlagkräftige Truppe für die Olympiade in Athen formen soll. Für Titelverteidiger Italien geht es hingegen darum, den Rest der Welt auf Distanz zu halten und den vierten Titel in Serie abzuräumen. Dafür muss Coach Andrea Anastasi aus seinen Stars jedoch das Letzte herauskitzeln, denn den WM-Warm-up, die World League, gewannen die Russen unter Trainerguru Guennadi Chipouline Mitte August. Mit exzellentem Blockspiel kauften die langaufgeschossenen Russen den Italienern und später im Finale der Equipe vom Zuckerhut den Schneid ab. Bei einer Durchschnittsgröße von 2,01 Meter sind die Russen nur mit schnellem, fintenreichen Spiel zu bezwingen, sonst bleiben die Bälle im Block hängen. Das beherrschen die Italiener zwar in der Regel, dies zu perfektionieren ist freilich schwer. Gute Testspiele hat die Mannschaft aufgrund des Termindrucks in der „A Uno“ jedoch nicht immer gehabt.
An mangelnder Vorbereitung kann es bei den WM-Ausrichtern hingegen nicht liegen. Die Mannschaft von Coach Getzelevich ist mit einigen wenigen Ausnahmen seit Wochen zusammen – gute Voraussetzungen für eine Überraschung im nationalen Interesse.
KNUT HENKEL
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