: 32,9 Millionen US-Bürger sind arm
Quer durch alle gesellschaftlichen Schichten macht sich die Wirtschaftskrise in den USA bemerkbar. Zwei Millionen Menschen haben in den letzten eineinhalb Jahren ihren Arbeitsplatz verloren, 11,7 Prozent der US-Bevölkerung gelten als arm
aus Washington MICHAEL STRECK
Während sich US-Präsident George W. Bush auf die außenpolitischen Kämpfe konzentriert, ist es um die Heimatfront schlecht bestellt. Immer mehr US-Amerikaner kämpfen gegen den sozialen Abstieg, gegen Armut. Seit Bushs Amtsübernahme erodiert der Wohlstandsgewinn der 90er-Jahre kontinuierlich.
Beleg dafür ist der jüngste Bericht der US-Behörde für Statistik, der alarmierende Zahlen veröffentlicht: Der Anteil der in Armut lebenden US-Amerikaner ist im vergangenen Jahr erheblich angestiegen – zum ersten Mal seit acht Jahren. Zur selben Zeit sank das Einkommen von Mittelklasse-Haushalten erstmals seit dem Ende der letzten Rezession im Jahre 1991. Auch die Kluft zwischen Arm und Reich werde in den Vereinigten Staaten immer größer, schreiben die Autoren der Studie.
Die im März 2001 einsetzende neue Wirtschaftskrise habe dazu geführt, dass das Einkommen von Millionen US-Amerikanern gesunken sei. Rund zwei Millionen Menschen haben seither ihre Arbeit verloren. Große Teile der US-amerikanischen Bevölkerung spüren die Auswirkungen der schlechten Wirtschaftslage – unabhängig von ihrer Hautfarbe, Schicht oder Wohnregion.
Mit Ausnahme des ökonomisch traditionell starken Nordostkorridors zwischen Boston und Washington müssen Haushalte in allen US-Bundesstaaten mit einem Rückgang ihrer Einkommen leben. Für die schwarze Bevölkerung sei dies sogar der erste Einkommensrückgang seit zwei Jahrzehnten. Bei den Weißen waren die Einbußen geringer. Selbst die Einkommen von US-Bürgern asiatischer Herkunft seien im vergangenen Jahr drastisch gesunken.
Im vergangenen Jahr erhöhte sich die Zahl der als arm eingestuften US-Bürger auf 32,9 Millionen. Dies bedeutet einen Anstieg um 1,3 Millionen. Ihr Anteil an der US-Bevölkerung kletterte von 11,3 auf 11,7 Prozent. Das durchschnittliche Einkommen fiel im vergangenen Jahr auf 42.228 Dollar, 934 Dollar weniger als im Vorjahr. Erschreckend ist die Situation unter Kindern und Jugendlichen. Von den in Armut lebenden US-Amerikanern waren im vergangenen Jahr 11,7 Millionen unter 18 Jahre alt.
In den USA gilt als arm, wer im Jahr über weniger als 9.039 Dollar verfügt. Bei einer vierköpfigen Familie liegt die definierte Armutsgrenze bei 18.104 und bei einer dreiköpfigen Familie bei 14.128 Dollar.
Die Demokraten werten den Anstieg der Armut als verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik des US-Präsidenten. Bush macht jedoch auch anderthalb Jahre nach der Amtsübernahme seinen Vorgänger Bill Clinton für die Misere verantwortlich. Der jetzt erlebte Anstieg der Armut sei zum Teil Resultat des wirtschaftlichen Abschwunges, der bereits unter Clinton begonnen habe, argumentiert das Weiße Haus. Die Demokraten fordern im Vorfeld der anstehenden Kongresswahlen höhere Ausgaben für die staatliche Wohlfahrt – ein Begehren, das viele Republikaner strikt ablehnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen