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Irrtum Leben

Armin Petras‘ ,,Nietzsche in Amerika“ im Malersaal als melancholische Hommage an einsame Seelen

,,At the Beginning there was nothing, but it was kind of fun to watch nothing grow“, könnte über dem Eingangsportal des unter der Regie von Armin Petras am Sonnabend im Malersaal des Hamburger Schauspielhauses uraufgeführten Stücks Nietzsche in Amerika. Songs from a Freezing Heart stehen. Undurchsichtiger Nebel schwebt gleich zu Beginn durch den Saal, die allgemeine Stille ist nur durch das monotone Geräusch eines aufschlagenden Wassertropfens unterbrochen.

Als sich der Nebel verzogen hat, entpuppt sich die Bühne als verlassene Bar in einem schäbigen Motel im Nirgendwo. Ein Mann am Klavier (Philipp Haagen) und ein weiterer am Bass (Olaf Kasimir) starren vor sich hin. Und dann plötzlich poltern nacheinander zwei verrückt tanzende Gestalten wie tollpatschige Narren in die spinnwebenverhangene Motellobby: ein ungarischer Schachspieler (Nicolas Rosat) und ein polnischer Romantiker (Alexander Simon), der sich beim Absturz mit einem Ballon das Bein gebrochen hat.

Mit dadaistischen Textfragmenten und den vertonten Gedichten Friedrich Nietzsches gestalten die vier Schauspieler ein vielseitiges Programm über das sich alljährlich zum Herbstanfang einschleichende Gefühl der Melancholie, der Heimatlosigkeit und des Verlorenseins. Für Nietzsche war die Musik ein Refugium, in dem das zum Irrtum verurteilte Leben zu sich selbst findet und sich zumindest für eine kurze Weile auszuhalten vermag.

Armin Petras und sein Ensemble bringen dem Publikum die Texte Nietzsches in einer großen stilistischen Vielfalt von Blues über Jazz bis zum Country nahe und erzeugen dabei eine Atmosphäre, die an die frühen Filme von Jim Jarmusch erinnert.

Hinter einer geschlossenen Tür vermutet man zudem eine Frau, nach der die beiden Figuren auf der Suche sind. Ab und an hört man ihr Lachen, das aber eher nach dem Echo einer fiebrigen Vision klingt. Nicht umsonst hängt das Bild einer Frau hoch oben an der Wand, für die Figuren unerreichbar. ,,Das Weib, das ich liebe, heißt Ewigkeit“ schreit der verzweifelte Sänger, und spätestens jetzt wird klar, dass die Figuren zu ewigem Warten verurteilt sind. So verwundert es nicht, dass sich, als die Tür später geöffnet wird, dahinter nichts als eine schwarze Wand verbirgt.

Bei so viel Desillusionierung bedarf es zur Rettung einer Portion skurrilen Humors. Doch der groteske Rodeoritt auf einem Eisbär, mit dem in dionysischer Rauschhaftigkeit die unerträgliche Trostlosigkeit überwunden werden soll, mündet in Johnny Cashs Bekenntnis I love Songs about Horses, bei dem einem sofort Nietzsches unwiderruflicher Zusammenbruch in Turin vor Augen steht, dessen Auslöser ein vom Kutscher verprügeltes Pferd darstellte.

„Nacht ist es ...“, heißt es am Ende des Stücks, das die Zuschauer mit einem Bild entlässt, zu dem der kauzig-melancholische Lee Hazlewood in seiner Ironie bemerkt hätte: ,,At the end there was nothing, but believe me, it was no fun waiting for nothing to end.“ MATTHIAS SEEBERG

Weitere Vorstellungen: heute sowie am 20. und 29. November, 20 Uhr, Malersaal des Schauspielhauses

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