Grüne wollen an die Macht

Bremen ist ziemlich pleite, sagt der Landesvorsitzende der Grünen, Klaus Möhle. Das schreckt die Grünen nach ihrem Wahlerfolg aber nicht. „Wir sind in der Opposition gut und in der Regierung“, meint die Fraktions-Chefin Karoline Linnert

„Rot-Grün hat in Bremen eine Zwei-Drittel-Mehrheit“, hat der grüne Landesvorsitzende Klaus Möhle in der vergangenen Woche in einer internen Wahlauswertung erklärt. „Wir haben dafür noch nicht die richtige Regierung.“ Am 25. Mai 2003 sind in Bremen Bürgerschaftswahlen. Für die Grünen ist klar: Dann steht Rot-Grün auf der Tagesordnung. „Man kann nicht eine Zwei-Drittel-Mehrheit haben und sagen: Wir machen eine große Koalition“, sagt Möhle an die Adresse der SPD. Karoline Linnert, Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bürgerschaft, sieht das genauso: „Ich kenne niemanden bei uns, der sagt: ‚Aber regieren wollen wir nicht.‘ Wir sind in der Opposition gut und in der Regierung.“

Dass das Selbstbewusstsein der Grünen so gestiegen ist, hängt mit den Zahlen zusammen. Im Land kamen sie auf 15 Prozent, in der Stadt Bremen sogar auf 16 Prozent. Nach der Auswertung des Statistischen Landesamtes haben die Grünen in den Bereichen „City/Cityrand“ seit 1994 von 25 Prozent auf 32 Prozent zugelegt, die CDU verlor von 23 auf 16 Prozent. In traditionell bürgerlichen Wohnquartieren legten die Grünen von 14 auf 19 Prozent zu. Auch in den „Großsiedlungen“ und den älteren Arbeitervierteln gewannen die Grünen dazu – der Zuwachs ist also flächendeckend.

„Der Fischer-Effekt war gigantisch“, weiß Möhle. Für die Bremer Landtagswahl ist kein „Fischer-Effekt“ in Sicht, da soll ein „kluges Team“ antreten. Als Stellungs-Vorteil rechnet Möhle, dass die Große Koalition „am Ende“ sei mit ihrer Politik: „Bremen ist ziemlich pleite“. Große Hoffnungen sind geweckt worden – und abgestürzt, am deutlichsten beim Musical. „Für Bremen wichtig“ sei, dass sich eine neue Sanierungsphilosophie durchsetzt: Kleinteiliger sollen die Impulse für die Wirtschaft verteilt werden. „Wenn man die Naturflächen in der Stadt rücksichtslos kaputt haut, vertreibt man die Menschen“, sagt Möhle. Und Einwohner sind das Einzige, was sich über den Länderfinanzausgleich rechne. Wer die Menschen für Bremen begeistern wolle, müsse die soziale Balance halten und vorsichtig mit den Stadt-Qualitäten umgehen. Die CDU wolle ins Hollerland einmarschieren und blockiere gleichzeitig die Technologie-Entwicklung rund um die Internationale Universität in Grohn – grotesk, findet der Grüne.

Wenn im nächsten Mai so gewählt werden würde wie am 22. September, dann kämen Grüne und SPD zusammen auf 63 Prozent. Aber das Erbe der großen Koalition wiegt schwer: Die Sanierungs-Milliarden sind weg, das strukturelle Defizit des Bremer Haushaltes ist keineswegs abgebaut. Das „Tafelsilber“, die lukrativen Firmen-Beteiligungen, sind verkauft, die Staatsschulden aber nicht gesunken. Auf „9 plus x“ Milliarden Euro schätzt die Fraktionsvorsitzende Linnert den Saldo. Gegenüber dem Bundesfinanzminister seien mehr als eine Milliarde Euro Schulden in den Schattenhaushalten versteckt. So tauchen beispielsweise eine Milliarde Euro Investition für das Containerterminal IV in der Staatsverschuldung Bremens praktisch nicht auf. Aber der Schuldenberg schreckt die Grünenpolitikerin nicht: „Es war schon vorher schwierig. Wem das zu kompliziert ist, der sollte sich einen anderen Beruf wählen.“

Die Große Koalition hat für Linnert nicht nur gemessen an ihrem vorrangigen Ziel, der Sanierung der Staatsfinanzen, versagt, sondern auch bei der Verwaltungsreform. Die Roland-Berger-Berater sind mitten in der Legislaturperiode nach Hause geschickt worden, „jetzt läuft gar nichts mehr“. Und sie weiß: „So viel Frust und Missorganisation in der Verwaltung hat es noch nie gegeben“.

Die Politik müsse mehr Rücksicht auf die Bevölkerung nehmen, ist ihre Überzeugung: „Weniger kaltschnäuzig ist besser.“ Warum wurde der Büropark Oberneuland gegen erheblichen Widerstand durchgepaukt? Das war falsch und ein Flop. „Bremen ist eine grüne Stadt mit einer guten Universität – und tollen Kulturgruppen“, sagt sie. Die muss man pflegen, nicht als „nutzlose Fresser“ diskriminieren. Sie machen die Stadt attraktiv.

Klaus Wolschner