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Stichwort Vermögenssteuer

Eine Wiedereinführung wäre ebenso möglich wie eine Reform der Erbschaftssteuer

FREIBURG taz ■ 1995 beanstandete das Bundesverfassungsgericht Vermögens- und Erbschaftssteuer und stellte drei Bedingungen für eine Reform: Erstens muss sich die Besteuerung von Immobilien – wie bei Geld, Aktien oder Schmuck üblich – nach dem Verkehrswert richten, also deutlich erhöht werden. Zweitens verlangte Karlsruhe großzügige Freibeträge – etwa ein „durchschnittliches Einfamilienhaus“ müsse steuerfrei bleiben. Drittens wurde ein „Halbteilungsgrundsatz“ aufgestellt. Danach dürfe der Staat vom Einkommen nur etwa die Hälfte wegbesteuern. Das Gericht forderte bei der Vermögenssteuer eine Reform bis Ende 1996. Die erfolgte nicht, deshalb wird sie seit 1997 nicht mehr erhoben. Die Kohl-Regierung hatte den Verzicht mit dem „Halbteilungsgrundsatz“ begründet. Wegen der hohen Steuersätze bei Einkommenssteuer und Solidarzuschlag sei bei den sehr Reichen die Grenze erreicht. Allenfalls könnten die Mittelreichen erfasst werden.

Diese Argumentation ist nicht zwingend. So liegt die reale Belastung von Spitzenverdienern nach Abzug von Freibeträgen und Abschreibungsmöglichkeiten in der Regel deutlich unter 50 Prozent. Zudem ist fraglich, welche Verbindlichkeit der Halbteilungsgrundsatz hat. Der Bundesfinanzhof entschied 1999, dass diese Vorgabe nur eine quasi private Meinungsäußerung der Richter war. Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer wäre demnach ohne Probleme möglich. Bei der Erbschaftssteuer ist die Lage noch unproblematischer. Hier gelten seit 1997 zwar neue Regeln für die Berechnung des Grundstückswerts, doch noch immer werden Immobilien steuerlich bevorzugt, was auch der Bundesfinanzhof jüngst rügte. Die von Gabriel und Beck vorgeschlagene Orientierung am Verkehrswert würde hier die Vorgaben aus Karlsruhe besser umsetzen als die jetzige Regelung. CHRISTIAN RATH

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