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Der Grusel bleibt

Versöhnung mit der Wirklichkeit gibt es nicht: Tim Staffel erzählt in seinem neuen Roman „Rauhfaser“ von der Suche nach dem extremen Moment

Buchparty: Tim Staffel liest ab 21 Uhr im Prater aus seinem Roman „Rauhfaser“, danach legt Dj André Herzig im Bastard Platten auf, Kastanienallee 7–9, Prenzlauer Berg

Tim Staffel ist ein erfolgreicher Autor mit guter Marktlage. Er schreibt über die große Einsamkeit der Gegenwart und über das „böse Berlin“ als Kehrseite zum „Neuen Berlin“, über die Stadt aus Eis, in der sich nicht mehr Menschen treffen, sondern überindividualiserte Monaden, die zwangsläufig scheitern. Der mittlerweile 37-Jährige beschrieb in seinem düsteren Debütroman „Terrordrom“ (1998) jene Zeitgeistkälte im Zwischenmenschlichen, mit der auch Regisseur und Prater-Intendant René Pollesch zu kämpfen hat. Staffels Figuren sind einsame Hipkids, abgeschnitten von ihren Gefühlen und Visionen, die immer nach dem nächsten, noch härteren Kick suchen. Derweil können sie nichts anderes gegen die ausufernde Gewalt ihrer Umgebung tun, als sich ihr auszuliefern. In „Heimweh“, seinem zweiten Roman, behandelt der Autor seine Protagonisten mit mehr Milde und Humor. Auf der Suche nach Heimat und – einer irgendwie zu definierenden – Zugehörigkeit reisen die Helden umher. Ans Ziel kommen sie nicht. In seinem jüngsten, gerade erschienen Roman „Rauhfaser“, den der Autor heute im Prater vorstellt, treibt den Helden Paul die Frage um, was passiert, wenn man nichts mehr spürt. Paul ist mit 33 Jahren einer der ziellosen Berufsjugendlichen, die sich nicht um ihren Lebensunterhalt sorgen müssen. Als er den 14 Jahre jüngeren David kennen lernt, für den nur der extreme Moment zählt, bekommt Pauls Leben mehr Tempo. Auch die Karrierefrau Sonja ist von dem jungen Wilden, bei dem ihre Rgeln nicht gelten, fasziniert. Zu spät merkt sie, dass sie, wie Paul, nur Teil eines Spiels ist. Staffel wird vielleicht milder, aber er söhnt sich – und uns – nicht aus mit der Wirklichkeit. Der Grusel bleibt.

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