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Persönliche Rentenberatung im Selbstversuch

Mut zur Versorgungslücke

Es begann mit einem Geschenk und endete als Albtraum. Zunächst zum Geschenk. „Frau Müller“, sagte eine Stimme am Telefon, „Sie haben eine Treueprämie gewonnen im Wert von 50 Euro.“ Von wem, wollte ich wissen, und die Antwort war rätselhaft: „Von Firmen, bei denen Sie Kunde sind.“

Was für Firmen, das ging aus den Unterlagen des jungen Mannes am anderen Ende der Leitung nicht hervor. Überweisen wollte er mir die 50 Euro auch nicht, nein, dabei handele es sich um eine Gutschrift, einzulösen einzig und allein in Form einer Rentenberatung. Es ginge dabei um die „Riesterrente“, um jenes Stichwort also, unter dem seit einiger Zeit jeder für dumm erklärt wird, der sich nicht staatliche Zuschüsse zur Privatrente sichert. Wenigstens einmal wollte ich das verstehen.

Also kam Frau B. zu mir nach Hause und gratulierte mir erst mal zum Geburtstag: „Da haben Sie noch genau 20 Jahre bis zum Renteneintritt.“ So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Vor 20 Jahren war ich mit dem Studium fertig und seitdem froh, von meiner Arbeit gerade so leben zu können. Plötzlich fühlte ich mich wie ein Blatt, das in der Mitte geknickt wird.

Dann kam der fachliche Teil: Weil sich der Rentenanspruch von 67 Prozent des letzten Nettoeinkommens auf 63 Prozent gesenkt habe, erklärte Frau B., mache der Staat das Angebot, diese Versorgungslücke zu füllen. Er fördere den Eintritt in eine zusätzliche private Rente mit Zuschüssen, vorausgesetzt, man zahle zunächst ein und später vier Prozent seines Bruttojahreseinkommens ein.

Das klang alles sinnvoll. Trübe wurde es erst beim Blick auf die persönliche Beispielrechnung. Mein Anfangsbeitrag wäre monatlich 5,17 Euro, das ist nicht viel, das ist zu machen. Sechs Jahre später sind es schon über 20 Euro. Dafür erhalte ich eine lebenslange Garantierente von 7,78 Euro monatlich. Das ist nun auch nicht viel. Das klang nach trockenen Keksen in der Versorgungslücke.

In diesem Moment wollte ich am liebsten die Augen vor der Zukunft verschließen. Aber Halt, sagte Frau B., das ist ja nur die Garantierente ohne staatliche Zulagen und ohne Zuwachs. Mit beidem bedacht stehen da schon 68,55 Euro. Und ein Sternchen weise darauf hin, dass die in „diesen Werten enthaltene Überschussbeteiligung nicht garantiert werden kann“. Jetzt kam der Teil, für den Frau B. wirklich geübt hatte. Sie erklärte mir, wie man bei der Versicherung, die sie empfahl, nämlich selbst mitentscheiden kann, wo das eingezahlte Geld angelegt wird. Das konnte man sich jetzt eben mal auf einer so genannten Fondsübersichtsliste aussuchen, die dem Antrag zu dem Altersvorsorgevertrag auf der Rückseite angeheftet war. Möchte ich „Aktien bedeutender Unternehmen aus den Teilnehmerstaaten der Europäischen Währungsunion“ erwerben oder „japanische Spitzenwerte“, „hochwertige Immobilien in Europa“ – oder einen von Frau B. empfohlenen Dachfonds, der schon im Titel mit „Komfort Dynamik Global“ so viele Behauptungen aufstellt, dass ich gar nichts mehr glaube?

Spätestens jetzt war ich überfordert. Ich kenne mich wenig aus auf dem Kapitalmarkt. Mir war nur klar, dass ich mich an irgendwelchen sozialverträglichen Modellen der Vorsorge beteiligen wollte und mir stattdessen Entscheidungen abverlangt wurden, deren Folgen ich überhaupt nicht überblickte. Das machte mich erstens misstrauisch und zweitens wütend. Dass jemand, dem Aktiengeschäfte Spaß machen, sich da einarbeiten muss, ist ja gerecht; aber dass man, nur um so was Notwendiges wie einen Rentenvertrag abzuschließen, in Fahrzeuge einsteigt, deren Kurs man gar nicht kennt, war zu viel.

Frau B. ließ meine grundsätzlichen Bedenken nickend über sich ergehen. Sie verstehe mich ja. Sie sei ja studierter Ökonom, aus Thüringen, wo ihre Kunden übrigens von ihrem Produkt sehr angetan seien. Auf dem Tisch hatte ich derweil meine Unterlagen ausgebreitet, aus denen hervorging, was ich bei der Künstlersozialkasse und dem Presseversorgungswerk einzahle. „Da bleibt ja noch eine erhebliche Lücke“, murmelte Frau B. wie zu sich selbst, und für einen Moment versanken wir beide schweigend in dem persönlich auf mich zugeschnittenen Rentenloch.

Da versuchte es Frau B. noch einmal. Sie sieht meinen Computer. „Sie arbeiten ja sicher auch mit dem Internet“, sagt sie, „und sind internationalen Geschäften gegenüber aufgeschlossen.“ Anschließend schlug sie mir als schnelleren Weg zur Vorsorge vor, 10.000 Dollar bei einer Bank in London anzulegen, und zog aus ihrer Tasche eine Grafik mit einer hübsch aufsteigenden Kurve. Ihre Erklärung, warum gerade das sicher funktionieren würde, konnte ich mir keine zehn Minuten lang merken.

Am Ende legte Frau B. mir einen Bewertungsbogen vor. Ich soll ankreuzen, wie ich mich beraten fühle. „Gut“ kreuzte ich an, schon weil sie noch neben mir saß. Einen Vertrag habe ich nicht abgeschlossen. Nachts träume ich jetzt manchmal, ich müsste Rentenberaterin werden. KATRIN BETTINA MÜLLER

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