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Steuern tabu, Sparen ist angesagt

Am Tag der Koalitionsverhandlungen macht die Regierungskoalition eine Kehrtwende. Rot-grüne Steuervorschläge warenfür die Katz. Jetzt wollen auch Sozialdemokraten und Grüne den Gürtel enger schnallen: Subventionen abbauen und sparen

von ULRIKE HERRMANN

Im Kern waren sich die Grünen und die SPD einig, ehe sie am Abend in ihre Koalitionsverhandlungen gingen: Mit „Einsparungen“ und „Subventionsabbau“ wollen sie die zehn Milliarden Euro erwirtschaften, die im Bundeshaushalt 2003 fehlen dürften. Denn Finanzminister Hans Eichel (SPD) unterstellt nur noch 1,5 Prozent Wachstum im nächsten Jahr. Bisher war man von 2,5 Prozent ausgegangen.

Eichels Korrektur beruht nicht auf neuen Schätzungen von Wirtschaftsforschern – der Finanzminister möchte sich grundsätzlich unabhängig machen von Konjunkturprognosen. Bis 2006 soll mit bescheidenen 1,5 Prozent Wachstum kalkuliert werden, was dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre entspricht. Der Finanzminister musste mehrmals die Erfahrung machen, dass die Forscher die Konjunkturentwicklung zu optimistisch einschätzten – und so den Etat aus der Balance brachten.

Die Deckungslücke von zehn Milliarden Euro soll nicht durch eine Erhöhung der Mehrwert- oder der Tabaksteuer geschlossen werden. Eine Erhöhung der Erbschaftssteuer wurde allerdings nicht definitiv ausgeschlossen; sie bringt momentan 3,1 Milliarden Euro jährlich.

Doch zeigten sich auch Differenzen. So würden die Grünen gern die Ausnahmen bei der Ökosteuer streichen. Die Ermäßigungen für Bahn, Gewerbe und Landwirtschaft kosten den Finanzminister momentan etwa 4,6 Milliarden Euro. Ein besonderes Ärgernis für die Grünen: Selbst für die Verstromung von Kohle gelten Ausnahmen bei der Ökosteuer. Die SPD hat es zwar immer abgelehnt, die Tarife der Ökosteuer zu erhöhen, wie Schröder gestern nochmals betonte. Doch die Abschaffung der Ausnahmen ist ein offener Punkt in den Koalitionsgesprächen und ein möglicher Kompromiss.

Ebenfalls bei den Grünen unbeliebt: die Entfernungspauschalen. Ihre Erhöhung 2001 hat zu Mindereinnahmen von über 400 Millionen Euro geführt. Auch die Eigenheimzulage steht auf der grünen Streichliste (siehe Interview), hat sie doch im letzten Jahr 13 Milliarden Euro gekostet, wie Mieterverbände schätzen.

Immer wieder im Gespräch sind auch die Kohlesubventionen, die sich 2003 auf 2,78 Milliarden Euro belaufen sollen. Dies sind 300 Millionen Euro weniger als noch in diesem Jahr. Allerdings schreibt der Kohlekompromiss von 1997 langfristige Ausstiegsszenarien vor, die drastische Kürzungen erst ab 2006 ermöglichen.

Übrigens sind auch die Wähler fürs Sparen – allerdings am liebsten bei anderen. Wie das Meinungsforschungsinstitut Emnid kürzlich ermittelte, plädierten 66 Prozent der Befragten dafür, die Bedingungen für Sozialleistungen zu verschärfen.

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