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Behindert geht auch billiger

Behindertenhilfe: PDS-Senatorin sieht „große Ausstattungsvorsprünge“ im Vergleich zu Hamburg und Bremen. Dort soll die Unterbringung um ein Drittel billiger sein. Demo gegen Kürzungen

von SABINE AM ORDE und TILL BELOW

Beim Streit um die Kürzungen in der Behindertenhilfe macht Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) den Wohlfahrtsverbänden Druck. Nach neuesten Informationen aus ihrer Verwaltung, sagte gestern die Senatorin, sei die Unterbringung von Behinderten in Berlin um ein Drittel teurer als in Hamburg und Bremen. Das gelte sowohl für die Personalausstattung als auch für die Gesamtkosten in diesem Bereich. „Es scheint einen klaren Ausstattungsvorsprung zu geben“, so Knake-Werner, „und damit offensichtlich Einsparpotenzial.“ Hamburg und Bremen seien schließlich auch keine Wüsten in Sachen Behindertenversorgung. Für die Unterbringung und Betreuung von Behinderten in Heimen, Wohngemeinschaften oder Einzelwohnungen gibt Berlin jährlich 300 Millionen Euro aus.

Um diese Kosten geht es unter anderem in dem neuen Rahmenvertrag, über den die Sozialverwaltung derzeit mit den Wohlfahrtsverbänden verhandelt, die in der Liga zusammengeschlossen sind (taz berichtete). Der Haushalt sieht hier Kürzungen von je 25 Millionen Euro in diesem und dem nächsten Jahr vor, auch 2004 soll weiter gespart werden. Besonders betroffen ist die Behindertenhilfe.

Die Liga will diese Kürzungen nicht mitmachen. Kurzfristige Einsparungen in dieser Größenordnung seien nicht möglich, ohne dass sich die Qualität der Arbeit verschlechtere, sagt der Ligavorsitzende Thomas Dane. Knake-Werners Zahlenvergleich kennt er noch nicht. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es einen Ausstattungsvorsprung in dieser Höhe gibt.“ Meist würde bei solchen Vergleichen die unterschiedliche Struktur der Versorgung in den einzelnen Städten nicht berücksichtigt. „Da muss man schon genau hingucken.“ Unzulässige Vergleiche hatte Knake-Werner selbst bislang SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin vorgeworfen, wenn dieser in den Medien gegen Berliner Ausstattungsvorsprünge im Sozialbereich polterte. Am 8. Oktober gehen die Verhandlungen in eine neue Runde.

Um den Forderungen der Liga Nachdruck zu verleihen, demonstrierten gestern bis zu 8.000 Menschen vor dem Roten Rathaus gegen die Kürzungen. „Satt, sauber, still“ und „Verwahren statt fördern?“ stand auf vielen T-Shirts. „Aufbewahrung statt Betreuung, dazu könnte unsere Arbeit Anfang nächsten Jahres übergehen“, fürchtet Ines Fischer. Sie arbeitet bei dem Verein „Berliner STARThilfe“, der 120 Behinderte betreut.

Verbale Unterstützung erhielten die Demonstranten von allen Parteien. „Die Kürzungen müssen zurückgenommen werden“, forderte der CDU-Abgeordnete Gregor Hoffmann auf der Abschlusskundgebung.

Ähnlich kämpferisch äußerten sich Vertreter von den Grünen und der FDP. Und selbst die SPD-Abgeordnete Ülker Radziwill befand, „dass es richtig und wichtig ist, gegen die Kürzungen zu protestieren“. Doch es sei auch notwendig, Doppelangebote abzubauen.

In einem etwas schärferen Ton äußerte sich Ingeborg Simon, die gesundheitspolitische Sprecherin der PDS im Abgeordnetenhaus, gegen die Pläne aus der Sozialverwaltung. Simon wäre zwar am liebsten gar nicht zu der Demonstration gegangen. Schließlich wurde sie dort – wie zu erwarten – mit Protestrufen und Pfiffen auf der Bühne begrüßt. „Ich hoffe, dass die Beschlüsse überdacht werden, damit die Kürzungen deutlich zurückgenommen werden“, sagte sie dann. Bei den Haushaltsverhandlungen hätte die PDS nicht mehr durchsetzen können. Und viele der Auswirkungen seien „in ihrer Krassheit“ damals nicht klar gewesen.

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