: „Wir haben einen beispiellosen Ruf“
Der Präsident der Universität Kabul über die Taliban, neue Lehrpläne und alte Schwierigkeiten seiner Institution
taz: Welches sind die größten Probleme der Uni Kabul?
Akbar Popal: Es ist alles gleich drängend. Wir brauchen Hilfe, um die Lehrinhalte zu überarbeiten. Ein anderes Problem ist unsere Druckerei, das Herz der Universität. Auch die Gebäude sind heruntergekommen. Wir können überhaupt keinen Abendunterricht mehr anbieten, der vor allem für Berufstätige sowie für Witwen und Witwer attraktiv ist.
Die Taliban haben den Islam rigide ausgelegt. Wie wird bei Ihnen heute der Islam gelehrt?
Islamische Studien sind auch heute Teil des Lehrplans. Islam ist eine Religion der Liebe, des Friedens und der Toleranz. Das haben wir früher gelehrt, und jetzt wird wieder nach diesem alten Curriculum unterrichtet.
Wie bewältigt die Universität Kabul ihre jüngste Vergangenheit unter den Taliban?
Anders als in anderen diktatorischen Regimen, die über eigene hoch qualifizierte Professoren verfügten, gab es solche von den Taliban nicht. Sie hatten keine Experten, sie ernannten nur einige Dekane als Leiter der Fakultäten. Diese Leute sind verschwunden. Einige der unter den Taliban Geflohenen sind inzwischen wieder zurückgekommen.
Welche Rolle sehen Sie für Ihre Universität in einer Demokratisierung Afghanistans?
Die Universität besitzt in unserer Gesellschaft einen beispiellosen Ruf. Während der Loja Dschirga, der großen Ratsversammlung, wurde ich vorübergehend einstimmig zum Vorsitzenden ernannt – nicht wegen meiner Person ernannt, sondern wegen des hohen Ansehens, das die Universität hat. Die Universität ist das Zentrum der nationalen Einheit. Es gibt an der Universität keine Diskriminierung gegenüber der regionalen Herkunft, der ethnischen Abstammung oder der Sprache der Studierenden. Alle Dekane der 14 Fakultäten wurden direkt von allen Mitgliedern dieser Fakultäten gewählt, genauso der Senat der Universität. Diese Wahlen zeigen, dass Demokratie praktiziert werden kann.
Wie handhabt Ihre Universität das Sprachproblem: Wird in Dari oder Paschtu unterrichtet?
Die gebildeten Menschen in Afghanistan haben traditionell kein Problem damit, sich in beiden Sprachen zu verständigen. Die Professoren und Dozenten benutzen, was sie gerade einfacher finden und mixen das sogar manchmal auch mit Englisch.
Die Universität Kabul hat seit dem Frühjahr eine Abteilung für weibliche Führungskräfte. Was hat es damit auf sich?
Das ist ein Management- und Verwaltungsstudiengang für Frauen mit dem Ziel, dass Frauen für Führungspositionen in Ämtern, Behörden und bei Nichtregierungsorganisationen ausgebildet werden. Die Abteilung wurde auf Anregung des Präsidenten der Weltbank, James Wolfensohn, eingerichtet, nachdem er mit seiner Frau die Universität besuchte und die Weltbank dafür weitere 50.000 Dollar bereitstellte. INTERVIEW: SVEN HANSEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen