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Einen Fluch anfügen

betr.: „Fragwürdige Entscheidungen“ (Patientenverfügungen) von Klaus-Peter Görlitzer, taz vom 27. 9. 02 (Wissenschaft)

So sollte es sein: Ärzte sind der weltweit geltenden Verpflichtung unterworfen, Leben zu erhalten und Leiden zu mindern. Aber haben sie deshalb das Recht, gegen den Willen des Betroffenen, in aussichtslosen Fällen weiterzubehandeln, auch wenn ich mich ausdrücklich dagegen ausgesprochen habe? Die Todesphobisten unter den Heilern und Pflegeleitern sollen nicht „durch Abbruch ums Leben bringen“, sondern nur in Ruhe sterben lassen. Und womöglich geht es bei manchen nicht um panische Todesfurcht, sondern nur um Bettenbelegung und Heimauslastung. Wer hindert diesen Missbrauch?

Weltweit lassen wir täglich tausende von Kindern an Hunger und medizinischer Unterversorgung seelenruhig sterben, aber bei uns bricht der ganze ethische Überbau zusammen, wenn jemand sein Wachkoma, elendes Siechtum oder Leiden beendet haben möchte. Mit geringen Mitteln, dem Bruchteil dessen, mit dem bei uns einige abstrakte Lebensschützer, hoffnungslose Fälle gegen deren Willen dahinvegetieren lassen wollen, könnte zum Beispiel im Kosovo das Vielfache an Patienten behandelt werden, Patienten, die gerne weiterleben möchten. […]

Im Übrigen hilft es vielleicht, der eigenen Patientenverfügung einen ausdrücklichen Fluch für den Fall der Nichtbeachtung über alle Ärzte, Heimleiter, Richter und Journalisten (und alle -Innen) und deren Kinder und Kindeskinder anzufügen, um seiner Erklärung Nachdruck zu verleihen.

Wie kann Missbrauch verhindert werden? So ähnlich wie beim Verkauf von spitzen Messern. Mit dem Argument eines möglichen Missbrauchs kann unser ganzes Vertragsrecht in Zweifel gezogen werden. HARTMUT BERNECKER, Bietigheim-Bissingen

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