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Anführungen im Weizenfeld

Zum dritten Mal in diesem Jahr widmet die Galerie Hengevoss eine Ausstellung der Triennale der Photographie. Nach den Architekturfotos von Stefan Kiess und den Porträts des Südafrikaners Zwelethu Mthethwa zeigen jetzt vier ibero-amerikanische Künstler Fotoarbeiten zu dem stadtweit geltenden Motto „Reality Check“.

Die ausgestellten Arbeiten eint die Frage nach Realität oder Fiktion, nach digitaler oder analoger Produktion. Mehr noch geht es um verabredete Oberflächen und Codes. In Farbe, Unschärfe und Dynamik der sich bewegenden Menschen scheinen die großformatigen Farbfotos von Luiz Allegretti Schnappschüsse eines Techno-Raves zu sein. Ihm gelingt eine Parallelisierung westlicher Raves mit einem Fest des Hinduismus. Denn aufgenommen hat er Gläubige, nach einem Blutopfer.

Die Vereinigung mit Gott suchte der Romantiker Caspar David Friedrich im Naturerleben. Der Spanier Adrìa Julìa, Meisterschüler bei Rebecca Horn in Berlin, setzt auf seinem Triptychon zwei junge Businessmen in eine Friedrichsche Landschaft. Aus der Sehnsucht nach dem großen Lenker wird hier das Finden eines gleichwertigen menschlichen Gegenübers.

Ebenfalls Meisterschüler bei Rebecca Horn war Míguel Rothschild. Seine Assemblage „Conceptual Art“ aus Fotos und Objekten versammelt die Diversität von Produkten und Firmen, die vorgeben, mit dem Namen „Concept“ strategische Kompetenz und puristische Ästhetik zu verfolgen. Wie inflationär und absurd dieses Stereotyp ist, belegen Unterhosen, Eierbecher und schäbige Hotels. Selbstverständlich reiht Rothschild seine Präsentation in die kritische Bestandsaufnahme ein.

Der Argentinier Jorge Macchi eint romantische Vorstellungen von Natur und konzeptionelle Kunst. In den Ecken von vier Landschafts-Fotos prangen große Anführungszeichen, die als reale Holzskulpturen im Weizen- und Sonnenblumenfeld stehen. Die Leerstelle des Textfeldes erzählt vom touristischen Klischee toskanischer Hügel und Felder und assoziiert an Landschaftsbilder der Kunstgeschichte. Nebenbei ernüchtert diese theatrale Kulisse die Fiktion von einer romantischen Natur. Lisa Monk

Galerie Hengevoss, Galeriehaus, Klosterwall 13; bis 11. Nov.

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