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Zwischen Mensch und Maschine

Leben in den weißen Vorstädten Südafrikas um 1980: William Kentridge, Kevin Volans, Jane Taylor und die Johannesburger Handspring Puppet Company eröffnen mit „Confessions of Zeno“ die Kampnagel-Spielzeit

Diesmal sind es nicht die voluminösen Puppen, die in den Armen ihrer Spieler agieren. Bizarre, schemenhafte Wesen, konturiert zwischen Mensch und Maschine, hat der Südafrikanische Regisseur, Maler und Medienkünstler William Kentridge für sein jüngstes Stück Confessions of Zeno entworfen, mit dem Kampnagel die neue Spielzeit eröffnete.

Ganz so, als hätten die Bohrtürme der Minen vor Johannesburg organisches Leben aufgepfropft bekommen, staksen die Schatten dieser futuristisch anmutenden Gestalten an Stäben geführt auf der Leinwand durch eine unwirkliche Landschaft, angetrieben von Kevin Volans‘ minimalistischem Stakkato, gespielt von den Streichern des Duke Quartetts.

Auf der Basis von Italo Svevos Roman La coscienza di Zeno hat Kentridge die neue Produktion mit der Johannesburger Handspring Puppet Company entwickelt. Parallelen zum Leben in Johannesburg um 1980 will er in der im Triest der 20er spielenden Erzählung ausgemacht haben. Auf ein Leben in den weißen Vorstädten spielt er an. Ein weißer Mann, der Schauspieler Dawid Minnaar, wird in einem Bett auf die Bühne gerollt, erzählt, als schaue er gelähmt von außen auf eine Welt im Umbruch.

Rückblickend referiert er über sein Leben, während fantastische Bilder absurder Träume über die Leinwand tanzen. Zeno ist kein Chronist; es sind die Bekenntnisse auf der Couch eines Psychiaters, die er ablegt, gefangen zwischen Vaterkomplex und Bequemlichkeit. Ein Opportunist, wie er im Buche steht.

Entscheidungsmatt verfährt er auch zwischen Ehefrau und Geliebter. Der ergraute Mann auf Socken in zerbeulter Freizeitkleidung ist durch und durch ein Muttersöhnchen, das am Schluss sich in den Schoß der Frau rollt, während auf der Leinwand die Bomben detonieren. „Ich fühle mich wie eine geteilte Stadt“ – Sätze wie diese bringen das symbolbefrachtete Pathos des Textes (Jane Taylor) an den Rand der Unerträglichkeit.

Erst wenn die Figuren als Menschen erscheinen und bepackt und trompetend durch Zenos Wohnzimmer stapfen, entwickelt die Psycho-Farce charmante Komik. Vor allem die Stimmen der Frauen, die Kevin Volans mitunter wundervoll verschlungen komponiert hat, füllen das spröde Gebäude. Zeno ist umgeben von singenden, schwarzen Menschen (Lwazi Ncube, Phumeza Matshikiza, Otto Maidi), die Ruhe und Beharrlichkeit ausstrahlen.

Marga Wolff

heute + morgen, 20 Uhr, Kampnagel

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