Megawatt-Bürger aus dem Taubertal

Im tauberfränkischen Tauberbischofsheim haben Solarfreunde in Eigeninitiative schon 1.000 Kilowatt Photovoltaik ans Netz gebracht. Die Finanzierung ist kein Problem: „Die Bevölkerung sehnt sich förmlich nach dieser wirklich sauberen Technologie“

Es war eine Joggingtour mit weit reichenden Folgen. „Wir blickten von einem Hügel herunter auf die Stadt, und sahen die vielen ungenutzten Dachflächen“, erinnert sich Leonhard Haaf. Es waren zigtausende von Quadratmetern, die dem Kinder- und Jugendarzt in seiner Heimatstadt Tauberbischofsheim plötzlich ins Auge sprangen. Denn seit der Freizeitsportler sein Privathaus mit einer Photovoltaikanlage bestückt hatte, war sein Blick für geeignete Dächer geschärft.

Das ist kaum drei Jahre her. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) war absehbar, das 100.000-Dächer-Förderprogramm der Bundesregierung bereits in Kraft. Damit standen der Solarenergie Perspektiven bevor, wie man sie nie zuvor in der Geschichte erlebt hatte. „Wir wurden sofort aktiv“, sagt Haaf. Zusammen mit drei Freunden hob er eine GbR aus der Taufe – und erste kleine gemeinschaftliche Solarstromanlagen wurden ans Netz gebracht. Weil schon bald größere Projekte anstanden, folgte im Juli 2001 die Gründung der Tauber-Solar GmbH – neben dem Mediziner fanden sich dafür ein Banker, ein Steinmetz und ein Techniker zusammen. „Ein gutes Team“, wie Haaf findet.

Die Initiative entwickelte sich beachtlich: In diesen Wochen konnten die Bürger das erste Megawatt vollenden. Damit liefern die Anlagen – sieben Stück derzeit – inzwischen fast eine Million Kilowattstunden Strom jährlich, genug für 300 Haushalte. Natürlich reicht das den Solarfreunden noch lange nicht. Eine Tauber-Solar II GmbH für das zweite Megawatt ist bereits gegründet. Entsprechend soll es auch in Zukunft weitergehen: „Jedes Jahr ein Megawatt, das ist unser Ziel.“

Die Finanzierung der Solarmodule war nie ein Problem. „Die Bevölkerung sehnt sich förmlich nach dieser wirklich in allen Belangen sauberen Technologie“, beobachten die vier engagierten Bürger. So konnte die Gesellschaft inzwischen Investitionen in Höhe von 5,5 Millionen Euro tätigen, finanziert durch 40 Gesellschafter, die Anteile in Höhe von jeweils mindestens 50.000 Euro erwarben. Unterstützt wurde die Initiative auch von einer örtlichen Genossenschaftsbank, die ausgewählten Kunden mit Erfolg die Beteiligungen anbot.

Bei diesem Modell will man dann auch künftig bleiben. Bei kleineren Beträgen sei der Verwaltungsaufwand zu groß, sagt Vordenker Haaf. Anleger finden die Solarfreunde trotzdem in ausreichender Zahl, weil die Geldsumme nicht als Eigenkapital aufgebracht werden muss. Die atypischen stillen Beteiligungen werden durch Kredit finanziert – der Zeichner muss lediglich für seinen Kreditanteil ausreichende Sicherheiten beibringen. Der Kredit wird anschließend durch die Erträge getilgt und der Rest der Einnahmen ausgeschüttet.

Auch Dachflächen findet Tauber-Solar genug. „Wir bekommen immer wieder Dächer angeboten, und wir suchen auch selbst danach“, sagt Haaf. Zumeist würden die Dächer unentgeltlich von den Eigentümern der Gebäude zur Verfügung gestellt. Ein buntes Leistungsspektrum kam auf diese Weise bereits zusammen: Von einer 30-Kilowatt-Anlage auf einem Getränkemarkt bis zu einer Großanlage mit 487 Kilowatt auf dem Shed-Dach einer örtlichen Möbelfabrik reicht inzwischen die Sammlung. Die Eigentümer der Dächer nutzen die Anlagen dann gern zur Imagewerbung. „Die Solarenergie passt genau in unsere Unternehmensphilosophie“, sagt Axel Haberer, Marketingleiter der Vereinigten Spezialmöbelfabriken, die vorzugsweise Schulmöbel produzieren. „Wir nutzen natürliche Werkstoffe, bauen langlebige Produkte und beliefern eine Klientel mit großem Umweltbewusstsein“ – da sei die größte Solaranlage der Stadt dann eine ideale Ergänzung.

Ausschließlich greifen die Solarfreunde an der Tauber auf Module der Firma BP-Solar zurück. Und so ist auch für die Herstellerfirma der Kontakt zum Projekt Tauberbischofsheim längst mehr als eine gewöhnliche Kundenbeziehung. „Megaspannend“ finde sie die Megawatt-Initiative von Bürgerhand, sagt dann auch BP-Kundenbetreuerin Gabriela Gottwald.

Denn ohne nennenswerte Unterstützung durch die Stadt haben es die Bürger aus eigener Kraft geschafft, Tauberbischofsheim in die Top-Liga der deutschen Solarstädte zu katapultieren. In der Solarbundesliga, einem von der Zeitschrift Solarthemen und der Deutschen Umwelthilfe organisierten Ranking aller deutschen Städte, liegt Tauberbischofsheim in der Kategorie ab 10.000 Einwohner derzeit auf Platz eins in der Photovoltaik-Wertung. Auf jeden Einwohner der baden-württembergischen Kleinstadt entfallen momentan 61 Watt installierte Solarleistung. Das ist zwar in absoluten Zahlen immer noch bescheiden, doch es ist mehr als das 45fache des Bundesmittelwerts.

Aber es soll ja auch mit Nachdruck weitergehen. „Ein Kollege in unserem Team spricht schon von der Zehn-Megawatt-Marke“, erzählt Initiator Haaf. Dachflächen dafür gebe es schließlich genug in der Stadt. Und an Unterstützung durch weitere Gesellschafter werde es auch in Zukunft nicht fehlen. Schließlich stünden die Aktivitäten auf vier Säulen: „Realismus, Pragmatismus, Optimismus und Idealismus“. Nicht zuletzt auf ein Zitat von Leonardo da Vinci stützt sich der Optimismus der fränkischen Solaraktivisten: „Die Sonne hat noch nie im Schatten gestanden.“ BERNWARD JANZING