: Adorno, Dylan, ich
Antiautoritäre Gelassenheit mit Klangbeispielen: Günther Amendt zu Gast im „Toten Salon“
Günther Amendt, 1939 in Frankfurt geboren, ist Sozialwissenschaftler. Er hat zwei wichtige Aufklärungsbücher der 68er-Epoche, später einiges über Drogen(politik) veröffentlicht. Um beides ging es kaum, beim „Toten Salon“ im Schlachthof.
Sondern um Bob Dylan. Ihn hat er seit seiner ersten Deutschland-Tournee 1978 begleitet. Publizistisch wie persönlich. Damals hat er Robert Zimmermann, als „Bob Dylan“ und „Protestsänger“ in die BRD kommend, „Deutschland erklärt.“
Flankiert von Gerhard Henschel (unter anderem „Titanic“, pro-Dylan) und Rayk Wieland (unter anderem „konkret“, kontra-Dylan) machte sich Amendt gelassen an den „unbekannten Dylan“. DJ Wieland verzettelte sich dazu unterhaltsam in Bootlegs und Tracklistings. Und fragte, ob es von Adorno nicht „eindeutige Direktiven“ gegeben habe. Kulturindustrie, Sie wissen schon …
Amendt schreibt über „die mangelnde Trennschärfe zwischen Singer und Song. Er spielt vor, wie die enttäuschten Folk-Puristen ihn als „Judas!“ beschimpften, als er Ende der 60er zum ersten Mal elektrisch verstärkt auftrat. In Berlin schaltete jemand sogar eine Todesanzeige („Ich habe übrigens herausgefunden, dass der heute Grundstücksspekulant ist“).
Henschel zitierte aus dem Identitäts- und Motivations-Verwirrspiel in Dylans Interviews. Was ihm im Leben das Wichtigste sei? „Ich habe ein Schraubenschlüsselset. Das interessiert mich sehr.“ Man muss Dylan nicht mögen, um hier – in der „extrem subjektiven, privaten Perspektive Amendts – auch das Nachdenken über die Kritik „der 68er“ an vorgestanzten Biografien zu erkennen. Oder über den Punkt, wo Jugendkultur dogmatisch wird, und selbst autoritär.
So war das Dylan-Special des „Toten Salon“ auch für explizite Nicht-Fans leicht goutierbar. Für den Nachhauseweg gab’s noch eine Denkaufgabe: „Blues“, sagte Amendt, „ist für die Seele, was die Dialektik für den Verstand ist.“ Der Autor dieser Denkaufgabe: Tim Schomacker
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