: In Bremer Filmtöpfe geguckt
Viel Film für wenig Euro: Die dieses Jahr vom Bremer Filmbüro geförderten Projekte sind originell und überraschend weit gefächert. Neben digital berechneten Mündern gibt es auch herkömmliche Bremen-Dokus wie „Wir wollten die Welt verändern“ oder „Sie sind ein Quälgeist, Herr Janssen“
Wie viel sind bei Filmemachern schon 108.877 Euro ? Diesen Betrag (60.611 Euro aus Kulturressort plus 48.266 Euro von der Landesmedienanstalt) vergibt das Bremer Filmbüro in diesem Jahr an Fördergeldern. Kleinkram mag man sagen, und bisher galt die hiesige Filmförderung auch eher als Lachnummer.
Wohl auch deshalb gab es jetzt zum ersten Mal eine öffentliche Veranstaltung im Kino 46, auf der Filmemacher ihre geförderten Projekte vorstellten. Sich also in die Pötte gucken ließen, und deshalb war auch der Titel „Kochtopf“ gut gewählt. Insgesamt zehn Projekte in den verschiedensten Arbeitsstadien wurden hier vorgestellt.
Einige, wie Ulrike Westermanns Dokumentarfilm „Wer war Mforbei Solomon Fusi“, der das Schicksal eines Jungen aus Kamerun beleuchtet, der als Blinder Passagier im Fahrwerkschaft eines Düsenjets umkam, sind noch in der Recherchephase, so dass die Regisseurin nur von ihren Reisen in das Heimatdorf des Jungen und ihren ersten Gesprächen mit seinen Verwandten und Freunden berichten konnte.
Andere Filmemacher zeigten Ausschnitte, Rohschnitte oder einfach einzelne Teile. Wilfried Huismann, der zuletzt mit „Lieber Fídel“ Aufsehen erregt hatte. war mit zehn Minuten aus dem bereits fertigen „Das Teufels Lehrling“ vertreten, in dem ein türkischer Folterknecht seine Geschichte erzählt. Der Film hat seine Weltpremiere nächste Woche auf dem Dokumentarfilmfestival in Leipzig. Bei diesem großen Projekt wird der Vertrieb mit 4.000 Euro gefördert. Ein kleiner Betrag im Vergleich zum Gesamtbudget, aber an dieser Stelle wichtig, damit der Film auch mit einer anständigen Anzahl von Kopien in die Kinos kommt.
Dieser Eindruck, dass auch kleine Förderbeträge (manchmal nur 1.000 Euro) wichtig sind, meist um Projekte erst einmal anzuschieben, die dann auch bei anderen Fördertöpfen gute Chancen haben, setzte sich bei der Veranstaltung schnell durch. Und es war überraschend, wie weit gefächert und (soweit man dies nach den Arbeitsproben bewerten kann) originell die Bandbreite der Projekte war. Da gab es nicht ein Projekt, das von Anfang an nach Scheitern roch.
Nun wird der Film „Wir wollten die Welt verändern“ des 68ers Wilhelm Rösing über die alt gewordenen 68er sicher kein bahnbrechendes Meisterwerk. Und wenn man sah, wie dröge Martin Koplin über die Computerkunst referierte, deren Entwicklung er in seinem Film „CompArt“ darstellen will, dann bekam man schon eine Ahnung davon, wie lang sich wohl der Film ziehen wird. Aber es überwogen bei weitem die interessanten Projekte, die auch meist sympatisch und kompetent vorgestellt wurden.
Daniel Krause hatte etwa am Computer einen gar nicht so schlechten Film über seinen Kurzspielfilm „Der Nachbar“ zusammengebastelt, ohne auch nur einen Meter selber gedreht zu haben. Auch Computeranimation war im Programm: Eine Gruppe von der Hochschule für Künste hat in „Stadt der Angst“ „gefundene Texte“ aus einer deutschen Fernsehgerichtsserie den Patienten eines New Yorker Psychiaters in die digital berechneten Münder gelegt.
Die Mehrzahl der Filme waren Dokumentationen, die Vielversprechendste darunter sicher die Biografie der Tochter des Psychoanalytikers Wilhelm Reich von Heidrun Mössner. Aber zwei richtig schön bremische Dokus wurden vorgestellt: Jörg Stresse ist dabei, mit „Sie sind ein Quälgeist, Herr Janssen“ dem stadtbekannten Kämpfer für das Hollerland ein filmisches Denkmal zu setzten und der Videomacher Bernd Galwatty will mit „Ich red’ die natürlich schön“ einen Film machen, in dem Bremerhavener erzählen, was sie von ihrer „kleinen Großstadt“ halten. Die gut zwei Stunden Präsentation waren voll gestopft mit viel verspechenden geförderten Projekten . Für die paar Euro gibt es eine Menge Film. Wilfried Hippen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen