Gefährliche Bienen im Korb

Vom Working Girl zur Lady Boss: Die Kölner Feminale widmete sich dem Bild der jungen berufstätigen Frau im Film

Im Foyer des Kölner Filmhauses liegt die jüngste Ausgabe der Business Vogue. Darin finden sich Sätze wie: „Menschen mit großer Verantwortung empfinden selbst akuten Stress oft nicht als Belastung, sondern vielmehr als Herausforderung.“ Oder: „Schenken Sie dem Unternehmen ein Gehirn.“ Das hat eine eigene Poesie, und man freut sich. Börsentief, Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit müssen Einbildungen sein, in der Illustrierten jedenfalls ist keine Rede davon. Im Editorial fragt Chefredakteurin Petra Pfaller vielmehr: „Gefällt Ihnen die Wortschöpfung Lady Boss auch so gut?“

Vor dem Blendwerk der Lady Boss kam das Working Girl. Dem widmete die elfte, gestern endende Feminale ein sehenswertes Sonderprogramm. Neben den Debütfilmen, der Maya-Deren-Retrospektive, der Ngozi-Onwurah-Werkschau und den Spiel- und Dokumentarfilmen des Panoramas und des Quer-Blicks gab es die Sektion „Ledig und berufstätig vor Ally McBeal“. Verena Mund, eine der Feminale-Chefinnen, schreibt dazu im Katalog: „Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war in den großen Städten mit der schnell wachsenden Anzahl von Angestellten eine neue soziale Gruppe entstanden; darunter auch zahlreiche Verkäuferinnen und weibliche Büroangestellte. Hollywood nahm das New American Girl gern auf und erzählte schon bald Geschichten über junge Frauen aus unteren Schichten, die ihr Elternhaus verlassen, um in der großen Stadt einen Job zu finden.“

Genau das geschieht in Dorothy Arzners Komödie „Working Girls“ aus dem Jahre 1931. Zwei Schwestern mit den Frühlingsnamen Mae und June kommen aus der Provinz nach New York. Sie tragen atemberaubende Leopardenfelljacken, wohnen in einem Heim für allein stehende, berufstätige Frauen und sagen: „Ich kann schon auf mich aufpassen“. Wenn sie Arbeit suchen, so ist vom ersten Vorstellungsgespräch an klar, dass ihre Tätigkeit, gleich ob als Privatsekretärin, Stenotypistin oder Telefonistin, eine emotional-erotische Seite haben wird. Weniger ihre jeweiligen beruflichen Qualifikationen stehen auf dem Prüfstand, sondern ihr Wesen, ihr Sexappeal, ihre Befähigung zur emotionalen Dienstleistung.

Der begehrliche Blick des potenziellen Arbeitgebers trifft sich dabei mit den eigenen Zielen: Die Ehe mit Mr. Right wird der Karriere vorgezogen. So stellt die Berufstätigkeit von Mae und June und deren namenlosen Geschlechtsgenossinnen eine temporäre Angelegenheit dar – etwas, das sich zwischen das Elternhaus und die eigene Familie schiebt. Hinter die amouröse Seite des Plots tritt sie als Kulisse zurück. Dennoch ist Arzners Film weit davon entfernt, seine weiblichen Figuren zähmen zu wollen. Erst deren Schlagfertigkeit verleiht „Working Girls“ Screwball-Qualitäten.

Eines der am häufigsten benutzten Wörter lautet fresh, im Sinne von frech und unverschämt. Nicht minder fresh sind auch die Filme Stephanie Rothmans. Rothman arbeitete zu Beginn der Siebzigerjahre für Roger Cormans Exploitation-Produktionsfirma New World Pictures. Die Vorgaben – billige Filme zu machen, die ein junges männliches Publikum anregen sollten – wusste sie geschickt in ihrem eigenen Sinne zu nutzen.

Wo sie möglichst viel nackte, weibliche Haut zeigen sollte, nahm sie sich die Freiheit, auch die männlichen Schauspieler auszuziehen – etwa in „Terminal Island“ (1973), einem auf einer Strafinsel angesiedelten Film. Einer der dort festgehaltenen Männer belästigt eine der Frauen. Scheinbar geht sie auf die Avancen des Mannes ein, aber nur, um seinen Hintern und seinen Schwanz mit Honig zu bestreichen und ihn alsdann in die Nähe eines Bienenstocks zu locken. Derlei war unüblich im Sexploitation-Kino, verkaufte sich aber gut, sodass Rothman ungehindert ihre kleinen, niedrig budgetierten Filme drehen und darin den weiblichen Blick auf männliche Nacktheit in Szene setzen konnte. Den Sprung ins A-Kino freilich schaffte sie trotz ihrer offenkundigen Begabung nie – im Gegensatz etwa zu Jonathan Demme, der auch bei Roger Corman angefangen hat.

Es liegt darin eine gewisse Tragik. (Auch die Retrospektive von Maya Derens erinnerte daran, dass die Geschichte nicht gerecht verfährt mit weiblichem Talent. Die Regisseurin, die heute als Wegbereiterin des Avantgardefilms gilt, starb 1961, nicht vergessen, aber doch verarmt und gerade einmal 44 Jahre alt).

Aus Rothmans Oeuvre zeigte die Feminale „The Working Girls“ aus dem Jahre 1974 in deutscher Erstaufführung. Er folgt einer ähnlichen Grundkonstellation wie Arzners Film: Eine junge Frau kommt in die Stadt und sucht eine Anstellung. Die Doppeldeutigkeit des Begriffs working girl – zum einen berufstätige Frau, zum anderen Prostituierte – wird hier von Anfang an durchgespielt, bevor sie in Lizzie Bordens „Working Girls“ (1986) manifest wird.

Schon in der ersten Sequenz von Rothmans Film soll Honey, die Hauptfigur, ein Mittagessen mit Sex bezahlen. Daraus wird nichts, weil sie die Konditionen bestimmt: Entweder hier und jetzt, zur Mittagszeit im Restaurant, oder gar nicht, sagt sie dem Restaurantbesitzer und beginnt, sich auszuziehen. Peinlich berührt versucht nun der Mann die junge Frau anzuziehen, woraus Rothman einen wunderbaren Slapstick gewinnt.

In einer anderen Sequenz stellt sich eine Jurastudentin, die sich ihren Lebensunterhalt mit Strippen verdienen will, während ihres ersten Auftritts die Zuschauer ohne Kleider vor. Die Rollen sind bei Rothman also verkehrbar, und jede sexuelle Dienstleistung wird zum Gegenstand eines Handels, in dem die Frauen nicht notwendigerweise unterlegen sind. Der Blick kann die Richtung ändern.

CRISTINA NORD

Die „Working Girls“-Filme sind ab dem 17. Oktober auch im Berliner Arsenal-Kino zu sehen