: Senat mit Blut und Eisen
Ole von Beust und Otto von Bismarck – dieselben Initialen. Dass dies noch niemandem aufgefallen ist! Bis auf Erich von Daeniken: Mysteriöser Geheimbund und von Beusts Tagebuch entdeckt
von PETER AHRENS
Vor genau 140 Jahren wurde Otto von Bismarck zum preußischen Ministerpräsidenten ernannt. Sein Erbe ist lebendiger denn je. Der renommierte Politikwissenschaftler Erich von Daeniken weist in seinem neuesten Werk auf den politischen Geheimbund der Bismarck-Epigonen hin. Ihm darf nur angehören, wer dieselben Initialen wie der alte Lotse hat. Die Mitglieder des OvB-Bundes verpflichten sich zum Handeln im Sinne des großen Preußen. Das prominenteste Mitglied: Ole von Beust, der Hamburger Bürgermeister.
Von Daeniken liegen die Tagebuchaufzeichnungen des Eisernen Bürgermeisters vor – eine detaillierte Aufzeichnung der Geschehnisse des vergangenen Regierungsjahres in Hamburg: Gedanken und Erinnerungen. Wir durften bereits einen Blick hinein werfen - und stellen fest: Die Geschichte von Schwarz-Schill muss völlig neu geschrieben werden.
So entnehmen wir von Beusts eigener Handschrift, dass er im Vorjahr nur unter höchstem Widerwillen eine Koalition mit den Freidemokraten eingegangen ist. „Ich trau dem Worte frei nicht, weil keiner die Freiheit für alle will. Jeder will sie für sich“, notiert der Staatsmann OvB. Für die Ankündigung von Konteradmiral Lange im Wahlkampf, etwas für die Bildung zu tun, hat er nur Verachtung übrig: „Es wird nirgends so viel gelogen wie auf der Jagd und vor Wahlen.“ In kleinem Kreise verpottet OvB Lange als Kanonenboot-Diplomat.
Auch Innensenator Ronald Schill und seiner Anfänger-Fraktion bringt OvB nur tiefste Skepsis entgegen: „Politik ist keine Wissenschaft, die man lernen kann. Sie ist eine Kunst, und wer sie nicht kann, der bleibt besser davon.“ Trotzdem ist er gezwungen, aus Gründen der Staatsraison, mit beiden Parteien die Regierung zu bilden.
Doch schon zu Beginn seiner Amtszeit ist Ole illusionslos, hat depressive Phasen: „Bei Gesetzen und Würstchen sieht man besser nicht, wie sie gemacht werden“, schreibt er und weiß, dass er kaum etwas verändern kann: „Gesetze sind wie Arzneien. Sie sind gewöhnlich nur Heilung einer Krankheit durch eine geringere Krankheit.“ Die Koalitionsverhandlungen langweilen ihn: „Alles, was wir bis jetzt schwatzen und beschließen, ist nicht viel mehr als die Mondträumereien eines sentimentalen Jünglings.“
Im Grunde traut OvB nur seiner Partei, letztlich gar nur sich: „Wo ich sitze, ist immer oben.“ Daher steht von Beginn an fest, dass Schlüsselressorts nur von eigenen ParteifreundInnen besetzt werden. Beispiel Finanzen: „Wer den Daumen auf dem Beutel hat, hat die Macht.“ CDU-Peiner wirds. Oder Schnieber-Jastram, die die Behörde für Soziales und Familie erhält. „Das Familienleben ist das beste Band“, notiert OvB auch gleich einen Schlüsselsatz seiner Amtsziele. Schnieber-Jastram führt als Erstes geschlossene Heime für Jugendliche ein. Junge Leute, so OvB, sollen etwas tun und nicht herumhängen, vollführt er einen politischen Richtungswechsel: „Für die Jugend habe ich nur drei Worte: Arbeite, arbeite, arbeite.“
In der Innen- und Justizpolitik fährt OvB eine harte Gangart, auch im stillen Kämmerlein hat er davon nichts zurückzunehmen. „Die Freiheit ist ein Luxus, den sich nicht jedermann gestatten kann“, erteilt er dem Justizsenator Kusch grünes Licht beim Gefängnisbau: „Macht geht vor Recht.“ Und Schill darf nach Gusto Ausländer abschieben, auch dafür hat er den Segen des Eisernen Bürgermeisters: „Die Neigung, sich für fremde Nationalitäten zu begeistern, ist eine politische Krankheitsform.“
Der Verkehrspolitik seines Schill-Senators Mettbach, der auf die Stadtbahn verzichtet und aufs Auto setzt, lobt er: „Diese Bahnen und Schienen, sie hemmen jeden Verkehr.“ Nur den Anti-Umweltsenator Rehaag, den mag er nicht, auch das erfahren wir: „Ein Mensch, der die Natur nicht liebt, enttäuscht mich, fast misstrau ich ihm.“
Für die SPD-Opposition und die Presse, die an hanseatische Grundsätze von Weltoffenheit und Toleranz erinnert, hat OvB nur Spott übrig: „Prinzipien haben heißt, mit einer Stange quer im Mund einen Waldlauf zu machen.“ Angst hat er vor den Sagers, Scholzens und Grunds dieser Stadt sowieso nicht: „Wir fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt“, schreibt er nieder. Den Unmut bei vielen HamburgerInnen tut er ab: „Es gehört zum deutschen Bedürfnis, beim Biere von der Regierung schlecht zu reden.“ Und was ist mit den Kritikastern bei taz und Mopo? „Presse ist für mich nur Druckerschwärze auf Papier.“
Was nicht heißt, dass alles glatt gelaufen wäre in diesem Jahr. Als OvB Schill im Bundestag poltern hörte, hat er getobt – sich aber gleich wieder im Griff gehabt: „Man soll, wenn einen der Zorn übermannt, höflich bleiben.“
Denn er hat noch große Pläne mit dieser Stadt: „Wenn ich die Götter im Himmel nicht erreichen kann, so werde ich die Hölle in Bewegung setzen.“ Und wenn die Sozis dann protestieren und den Rathausmarkt stürmen, ist das nur in seinem Sinne: „Um vieles anders hätte sich die Lage der Regierung gestaltet, wäre es zu einem, wenn auch kleinen Scharmützel gekommen.“ Dann könnte OvB endlich das tun, was er sich immer vorgenommen hatte: Die Sozialistengesetze verabschieden.
Und wenn die nächsten Wahlen anstehen, wird er Geschenke ans Volk verteilen: Beustheringe für alle.
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