Lettlands junger Saubermann

Der ehemalige Zentralbankchef Einars Repse will als neuer Ministerpräsident Lettland in die Nato und EU führen

Einars Repse wird nach dem Sieg bei den Wahlen in Lettland am Wochenende nicht nur künftiger Ministerpräsident des Landes, sondern wohl auch die lettische Delegation leiten, wenn im November auf dem Nato-Gipfel in Prag dem baltischen Land der Beitritt zum Nordatlantikpakt angeboten wird. Und im Dezember – wenige Tage nach seinem 41. Geburtstag – könnte Repse beim EU-Gipfel in Kopenhagen Lettlands Beitritt zur EU besiegeln. Einen furioseren Start kann sich der gelernte Diplommathematiker und -physiker wohl kaum wünschen.

Als Endzwanziger stand Repse mit auf den Barrikaden, als sich Lettland von der sowjetischen Herrschaft befreite und gehörte zu den Mitgründern der „Nationalen Unabhängigkeitsbewegung“ (LNNK). In dieser ersten Phase der Unabhängigkeit zu Beginn der 90er-Jahre war alles möglich. So wurde Repse mit 29 Jahren weltweit jüngster Zentralbankchef ohne auch nur annähernd ausreichenden fachlichen Hintergrund.

Repse erwarb den Ruf, allen Versuchungen, die Amt und Macht mit sich bringen, widerstanden zu haben. Das wird hoch angerechnet in einem Land, in dem Regierungen als „alt“ gelten, wenn sie länger als ein Jahr durchhalten, bevor die nächste Enthüllung über Veruntreuungen oder Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung sie aus dem Amt zwingen. So hebt ihn auch das Europaparlament in einem Bericht ausdrücklich als „energisch und hoch respektiert“ hervor. Dennoch werfen ihm GegnerInnen vor, es gebe einige nie aufgeklärte Vorgänge im Zusammenhang mit der lettischen Bankenkrise 1995.

Repse war schon vor zweieinhalb Jahren der Favorit von Präsidentin Vaira Vike-Freiberga, als Ministerpräsident Andris Skele über Affären bei der Privatisierung von Staatsunternehmen stolperte. Doch damals wollten die Parteien keinen überparteilichen Regierungschef vor die Nase gesetzt bekommen und einigten sich auf den am Samstag kläglich von der politischen Bühne verschwundenen Andris Berzins. Weil mit ihm der von Repse als „Kultur umfassender Korruption“ bewertete Zustand nicht besser wurde, trat Repse im Dezember letzten Jahres von seinem Zentralbankposten zurück und gründete im Februar seine Partei „Neue Zeit“. Seine MitarbeiterInnen mussten im Dom von Riga ihre „saubere Vergangenheit“ beschwören. Für das Parlament durfte nur kandidieren, wer kein öffentliches Amt innehatte. Jede Parteispende veröffentlichte Repse im Internet und rühmte sich, Spenden auch zurückgewiesen zu haben, wenn ihm die SpenderInnen nicht „sauber“ erschienen.

Lettlands Saubermann scheint es ernst zu meinen mit der „Neuen Zeit“. So wie der Mathematiker Repse die Nationalbank auf strammem Kurs hielt und die Währung erst vom russischen zum lettischen Rubel führte und dann den neuen eigenen Lat gegen jeden Abwertungsdruck stabil hielt, will Repse als Politiker das Land nun „wie eine Bank führen“. Die Bevölkerung setzt große Hoffnung in ihn. Was die Popularität betrifft, wird der auch als „Lettlands Putin“ titulierte neue Politstar schon vor dem Amtsantritt nur von Präsidentin Vike-Freiberga übertroffen. Doch die Sympathien könnte kurzlebig sein, wenn die LettInnen von der gelobten „Neuen Zeit“ nicht bald auch etwas in der eigenen Haushaltskasse merken. REINHARD WOLFF