piwik no script img

Kandidatin wider Willen

Sozialsenatorin Knake-Werner (PDS) verkündet schon vor der Ausschreibung, dass Anetta Kahane Berlins neue Ausländerbeauftragte werden soll. Die weiß aber nicht mal, ob sie sich bewerben will

von SABINE AM ORDE

Die Stellenausschreibung ist zwar noch nicht fertig, doch Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) gab ihre Wunschbesetzung für das Amt der Integrationsbeauftragten gestern bereits per Radiointerview öffentlich bekannt. Alles spreche für Anetta Kahane, sagte Knake-Werner im Inforadio. „Sie ist unsere Favoritin“, bestätigte später auch Knake-Werners Sprecherin Roswitha Steinbrenner. Das Problem: Kahane ist sich nicht sicher, ob sie die Stelle überhaupt will. „Ich werde zunächst die Ausschreibung abwarten“, sagte sie gestern der taz. Das wird bis November dauern.

„Natürlich habe ich mich gefreut, als ich gefragt worden bin“, sagte Kahane, die derzeit die Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen (RAA) leitet. „Aber es ist etwas völlig anderes, ob man als zivilgesellschaftliche Institution Arbeit gegen Fremdenfeindlichkeit und für Integration macht oder auf Landesebene Integrationsbeauftragte ist.“ Derzeit biete ihre Arbeit bei der RAA, dem Zentrum für demokratische Kultur und der Amadeu-Antonio-Stiftung mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

Zwar habe Knake-Werner bereits signalisiert, das Amt mit neuen Schwerpunkten wie Rechtsextremismus, Fremdenhass und Aussiedlerfragen auszustatten, „aber das muss ich mir im Detail anschauen“. Fraglich sei, so Kahane weiter, ob der bisherige Zuschnitt vor allem auf die ehemaligen „Gastarbeiter“ den heutigen Bedürfnissen Berlins noch entspreche. „Es muss auch um Flüchtlinge, Illegale und Spätaussiedler gehen.“ Zudem könnten Rassismus und Rechtsextremismus, aber auch Demokratiedefizite unter Migranten Themen für die Integrationsbeauftragte sein. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, alles in dieses Amt zu integrieren“, so Kahane. „Schließlich soll die Beauftrage eine Anwältin für die Migranten sein.“

Der Türkische Bund (TBB) äußerte sich gestern sehr diplomatisch zu Knake-Werners Wunschbesetzung. „Eine interessante Kandidatin“, sagte TBB-Sprecher Safter Cinar. „Wir sind gespannt, wer sich sonst noch bewirbt.“ Mehr war ihm nicht zu entlocken. Klar aber ist, dass die türkischen Organisationen von der Politik der bisherigen Amtsinhaberin Barbara John sehr profitiert haben – und jetzt um ihre Pfründe fürchten. Deshalb wundert es nicht, dass der Polnische Sozialrat sich viel deutlicher äußert. „Anetta Kahane wäre eine sehr gute Wahl“, sagt Witold Kaminski. Es sei höchste Zeit, „die Türkendominanz“ und die festgefahrenen Strukturen aufzubrechen und das Amt stärker politisch zu begreifen.

Unterdessen hat die bisherige Amtsinhaberin Barbara John, die im Juli altersbedingt den Posten räumen muss, Kahane als „gute Kandidatin“ bezeichnet. Auch die Grünen äußerten sich positiv. „Eine bessere Besetzung kann ich mir nicht vorstellen“, sagte der migrationspolitische Sprecher Özcan Mutlu. Die anderen Fraktionen wollten sich gestern nicht äußern. Der zuständige Mann von der FDP kennt die Kandidatin nicht, die anderen wollen die Ausschreibung abwarten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen