Ganz wie ein Weltmeister

Weil er zuletzt bei seinem Klub FC Chelsea in Englands Premier League spielte, fehlte Abwehrmann Robert Huth am Montag beim 4:1 der deutschen U19-Junioren in der EM-Qualifikation gegen Israel

von TOBIAS SCHÄCHTER

Wenn im Frühjahr die deutschen U19-Junioren zur Zwischenrunde der EM-Qualifikation antreten, wird mit ziemlicher Sicherheit auch Roberth Huth wieder mit von der Partie sein. In der ersten Runde konnte es sich Trainer Horst Hrubesch leisten, auf den Abwehrspieler vom FC Chelsea zu verzichten. Auch ohne Huth gab es am Montag zum Abschluss in Fulda ein 4:1 gegen Israel, nachdem in den Tagen zuvor San Marino mit 10:0 und Aserbaidschan mit 7:0 bezwungen worden waren.

Robert Huth saß derweil am Sonntag mit Sebastian Kneißl in dessen Londoner Wohnzimmer und schaute Premier League im Fernsehen. Die beiden deutschen Nachwuchsfußballer fieberten mit den Stars ihres Clubs Chelsea beim Spiel in Liverpool und hatten das Match schon abgehakt: „Wenigstens ein Punkt“, sagte Huth, da traf Michael Owen in der 90. Minute doch noch zum 1:0 für Liverpool und stürzte Chelsea, drei Tage nach dem Aus im Uefa-Cup gegen Viking Stavanger, endgültig in eine Krise. In Stavanger stand Robert Huth noch auf dem Platz und Kneißl saß alleine vorm Fernsehen. Wie in den zwei Wochen zuvor, als Huth in Englands Eliteliga reüssierte und er deswegen auf die EM-Qualifikationspiele der deutschen U19 verzichtete.

„Klar, ick hätt ooch gern für Deutschland gespielt, aber das hier ist das Größte.“ Der 18-Jährige aus Marzahn erlebt zurzeit das, wovon die meisten aus der U19 noch träumen: Einsätze in der ersten Liga, Einsätze im Europapokal, Einsätze vor großer Kulisse. Da wollte Hrubesch nicht Spielverderber spielen und verzichtete auf einen seiner Besten: „Eine solche Chance kann man dem Jungen nicht verbauen.“

Und der Junge nutzte seine Chance. Der für seine Nüchternheit bekannte Chelsea-Trainer Claudio Ranieri bewertete Huths Leistung vor zwei Wochen gegen Fulham euphorisch: „Ich habe keinen Unterschied zwischen Marcel und Robert gesehen.“ Marcel ist Marcel Desailly, Welt-und Europameister aus Frankreich, der verletzt fehlte. „Wat soll ick dazu sagen?“ Die Freude über dieses Lob lässt den 1,88 Meter langen Abwehrspieler leicht verlegen werden. Auf dem Platz hingegen ist Roberth Huth überhaupt nicht verlegen. „Der holzt immer voll dazwischen, hat ein super Kopfballspiel und im Spielaufbau hat er sich enorm verbessert“, sagt der ein Jahr ältere Hesse Kneißl, der wie Huth im Sommer 2000 zu Chelsea kam.

„Am Anfang war es schon wichtig, dass er auch da war, obwohl die hier total offen sind.“ Mit 16 verließ Huth die Heimat, ging nach London und in die große, weite Fußballwelt. „Für meine Eltern ist das heute noch schwer, aber sie verstehen, dass ich hier Fußball spielen will.“ Seiner Mutter hat er das Trikot geschickt, das er gegen Fulham trug. Als Trost und als Zeichen, dass es dem Jungen gut geht. Gegen West Ham, ein paar Tage später, holte der Junge mit der Nummer 29 einen Elfmeter raus. „Respekt darf man nicht zeigen, sonst hat man verloren“, sagt Huth, und als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, als 18-Jähriger Fußball-Azubi in seinem dritten Erstligaeinsatz einen Strafstoß in einem prestigeträchtigen Londoner Derby herauszuholen, fügt er hinzu: „Is halt nur ein Elfer.“

Huth wirkt abgeklärt, ruhig und wie einer, den Erfolg nicht so leicht ins Taumeln bringt. Von Chelseas Spähern bei einem U15-Länderspiel entdeckt, hat er, der von Union Berlin zu Chelsea wechselte, dieser Tage seinen Vertrag bis 2006 verlängert. Und die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland? Er lächelt und schiebt eine für seine Verhältnisse überraschend forsche Antwort nach: „Klar, das ist ein Traum.“

Mit Sebastian Kneißl spielt er nicht nur gerne Golf, sondern geht auch mal aus in Englands Metropole. „London ist groß“, schmunzelt Huth, der demnächst eine eigene Wohnung beziehen will. Bisher hat er in der Nähe von Chelseas Trainingsgelände bei Gasteltern gewohnt. Mit der Verständigung klappt es immer besser. Einen Engländer, der seinen Nachnamen richtig ausspricht, hat er allerdings noch nicht gefunden. „Irgendwie habe ich keinen Hinternamen. Alle sprechen ihn anders aus.“ Aber wenn er in der Stamford Bridge, dem Stadion von Chelsea, das lang gezogene „Huuuuth“ aus 30.000 Kehlen hört, weiß er schon, dass er gemeint ist. „Das ist das Größte überhaupt.“

In Liverpool gönnte Ranieri Huth eine Verschnaufpause. „Ich will eine Alternative für die Viererkette bleiben“, sagt Huth realistisch. Ein Fernsehabend mit Sebastian Kneißl, der Tore für die Reserve schießt, ist zwischendurch auch mal lustig. Aber so regelmäßig wie früher soll es nicht mehr werden, für Robert Huth, 18, aus Marzahn.