: Pittoresk bis zum Abwinken
In „Brass on Fire“ inszeniert Ralf Marschalleck die rumänischen Roma als niedliches Völkchen. Dabei ist ihre Musik anarchisch und wild
Wenn man an die Filme von Emir Kusturicas denkt, hat man gleich einen bestimmten Ton im Ohr. „Time of the Gypsies“ hätte auch genausogut „Sound of the Gypsies“ heißen können, denn die wilde, laute, vitale Musik der Roma scheint bei ihm immer mitzuschwingen - oder besser mitzuscheppern.
Wie wichtig es ist, dass bei solch einer Filmmusik die Bilder den gleichen Rhythmus haben, merkt man nun bei „Brass On Fire“. Hier war der Cutter entweder ganz und gar unmusikalisch oder taub. Da sieht man, genau wie bei Kusturica, die Roma mit ihren schäbigen Anzügen, Goldzähnen im Mund und Gesichtern, die Geschichte erzählen, ausgelassen auf ihren Hörnern schreien. Da hört man ihre unbändigen Polkas, ihre irrwitzigen Blechbläsereien, und sie wirken dennoch enttäuschend prosaisch. Zu dieser Musik gehört eigentlich auch eine filmische Poesie, aber der Filmemacher Ralf Marschallack arbeitet hier viel zu brav und ordentlich. Als Vorbild hat er sich leider nicht Emir Kusturica, sondern Wim Wenders genommen.
„Brass on Fire“ sollte offensichtlich der „Buena Vista Social Club“ aus den Karpaten werden. Erzählt wird von der Blaskapelle des Dorfes Zece Prajini im tiefsten Rumänien, die aus den besten Musikern der ganzen Gegend bestehen soll. Ein unternehmungslustiger Konzertagent aus Sachsen entdeckt sie und bringt sie in die Konzertsäle Europas, wo sie dann die gleiche Musik, die sie sonst auf Dorfhochzeiten spielen, nun vor einem begeisterten, zahlenden Publikum aufführen. Das Ganze wird wie ein Märchen erzählt, will gleichzeitig aber auch Dokumentarfilm sein.
Dadurch wirkt aber alles unecht, denn der Zuschauer merkt schnell, dass jede Szene gestellt ist. Man spürt förmlich den Regisseur hinter der Kamera, der sagt: „Jetzt spiel mal ganz falsch auf deiner Trompete“, oder „Jetzt tut mal so, als würdet ihr euch gerade ganz zufällig mal eben hier auf dem Bahnübergang treffen und verhandelt darüber, für wieviel Geld, Essen und Schnaps ihr auf seiner Hochzeit spielen werdet!“
In der ersten Einstellung des Films findet ein netter, passend ungewaschener Junge in einem Teich ein altes, völlig verrostetes Baritonhorn. Die Kamera verfolgt nun den Weg dieses Instruments, das vom Schmied und Instrumentenbauer des Dorfes repariert wird. Bezeichnenderweise muss der Junge im Schlussbild dann nicht etwa darauf spielen, sondern darf glücklich damit winken.
So harmlos und nett ist der ganze Film aufgebaut: Er ist pittoresk bis zum Abwinken. Immer wieder sieht man die so schön skurril wirkenden Roma mit ihren urigen Blasinstrumenten. Man kann ein Motiv auch totmelken. Dabei scheint die Musik manchmal fast einen Aufstand gegen die Bilder zu führen, denn die Kapelle „Fanfare Ciocarlia“ kann tatsächlich auf ihren verbeulten Hörnern solch einen archaischen Radau entfachen, dass man oft trotz der Inszenierung mitgerissen wird.
Wilfried Hippen
„Brass on Fire“ läuft am Freitag um 22.30 Uhr, am Samstag um 23.00 Uhr, am Sonntag um 18.30 Uhr und von Mo. bis Mi. um 20.30 Uhr in der Originalfassung mit Untertiteln im Kino 46
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