: Intendantendämmerung
Nach Udo Zimmermann geht jetzt auch Franz Xaver Ohnesorg. Der Musikmanager, bekannt für seinen autoritären Führungsstil, muss nach nur einem Jahr Philharmonie das Handtuch werfen
von CHRISTIANE TEWINKEL
Alles hatte so schön begonnen. Als vor knapp zwei Jahren bekannt wurde, dass Franz Xaver Ohnesorg neuer Intendant der Berliner Philharmoniker werden würde, konnten sich die Drahtzieher kaum einkriegen vor Freude. Zumindest schien es so. Christoph Stölzl, damals Kultursenator, war glücklich, einen Freund aus alten Tagen auf die exponierte Position bitten zu können, die seit dem Zerwürfnis zwischen Claudio Abbado und Elmar Weingarten vakant gewesen war. Sir Simon Rattle war froh, der Orchestervorstand auch. Und König Franz Xaver selbst? Der war mit der Zusage an Berlin in der Lage, der New Yorker Carnegie Hall den Rücken zu kehren und den dort drohenden Eklat mit dem Antritt einer neuen, prestigeträchtigen Stelle zu parieren.
In New York hatte es seit langem Spannungen gegeben. Angestellte hatten sich dem Diktat Ohnesorgs nicht mehr beugen wollen, die New York Times hatte geschrieben, Ohnesorg habe die falschen Gene für das amerikanische Geschäft. Böse Berichte, Hakenkreuze an den Türen – Franz Xaver Ohnesorg kam nach Berlin.
Weil die Stelle so interessant sei, sagte er damals. Und weil sein kleiner Sohn eine gute deutsche Gymnasialausbildung erhalten solle. Das kam gut, weitere vorsichtige Fragen nach der New Yorker Zeit wurden lässig abgeblockt. In diesen Wochen sieht man Familie Ohnesorg manchmal samstags auf dem Kurfürstendamm lustwandeln. Den kleinen Sohn, der einmal aufs Gymnasium soll, haben die Eltern in die Mitte genommen, sie biegen am KaDeWe rechts ab und gehen ihrer Wege.
Aus dem Gymnasiumsbesuch wird vorerst allerdings nichts, zumindest nicht in Berlin. Franz Xaver Ohnesorg hört nach nur einem Jahr schon wieder auf. Er habe, so die unterkühlte Pressemitteilung der Philharmoniker, „den Stiftungsvorstand aus persönlichen Gründen gebeten, ihn von seiner Verpflichtung als Intendant und Sprecher des Stiftungsvorstandes zu entbinden“.
Dass Ohnesorg den Hut nimmt oder vielmehr: dass er ihm höflich zurückgegeben wird, ist schade und doch wahrscheinlich folgerichtig. Denn einerseits hat das berühmte Orchester schon im ersten Jahr der Amtszeit Ohnesorgs große Reformen durchlaufen, die Umstrukturierung in eine Stiftung vollzogen und mit der Deutschen Bank einen großzügigen Sponsor gewonnen. Auch ein umfassendes Education-Programm, für das Konzertpädagogikexperten aus England berufen wurden, ist auf den Weg gebracht.
Andererseits hat Ohnesorg mit seinem Selbstbewusstsein als Retter der Musik und der Philharmoniker von Anfang an wenig zurückgehalten. Wo es ging, riss er die Aufmerksamkeit an sich – und wenn es bloß das sommerliche young.euro.classic Festival war, wo er im vergangenen Jahr als Pate auftrat. Eben frisch in der Stadt angekommen, sprach er dort bereits wie der große Berliner Musikmissionar.
Im Haus der Philharmoniker selbst gab es bald Krach mit dem Orchester, dem dank seiner Spezialorganisation eine Macht zusteht, die es sich – als Kombinat hervorragend ausgebildeter Musikerinnen und Musiker – niemals nehmen lassen würde. Das betrifft einmal die Programmgestaltung, doch reagierten die Philharmoniker auch auf andere Dinge ausgesprochen empfindlich. Ohnesorg ließ etwa seinen Namen prominent im Programmheft mit abdrucken, er sprach gern und oft zum Publikum, und es gefiel ihm zum Beispiel auch, anlässlich eines Beethoven-Nachmittages eine Ausstellung über seine Akquisitionserfolge in Köln zu präsentieren.
Dort hatte Ohnesorg jahrelang die Philharmonie verwaltet, und dort war er auch am Dienstagabend zu sehen, ganz der ehemalige Hausherr, der die eben dort gastierenden Berliner Philharmoniker gerne heimbegleitet. Auch in Köln hatte es damals Reibereien mit Ohnesorg gegeben. Freilich standen dort wesensverwandten „persönlichen“ Schwierigkeiten, etwa der Legion von Mitarbeiterinnen, die im Laufe seiner Amtszeit gingen oder gehen mussten, außerordentliche, schließlich bis nach New York ausstrahlende Erfolge als Musikmanager gegenüber.
Heute bleibt zu fragen, ob Ohnesorgs Macht, seine Stellung innerhalb der leicht mafios angehauchten rheinisch-westfälischen Musikszene dazu ausreichen wird, Nachfolger des fein- und scharfsinnigen Gérard Mortier zu werden, der im ersten Jahr die Ruhr-Triennale betreut. Und ob der neue Berliner Intendant womöglich auch aus England kommt wie Sir Simon Rattle selbst. Mit ihm, so verlautet aus den Reihen der Orchestermusiker, scheinen derart scharfe Streitigkeiten sozusagen ausgeschlossen.
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