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Nur kein Wäsche-Fabrikant

211 Professoren wehren sich gegen Hochschulmodernisierungsgesetz. Die Gruppe der Naturwissenschaftler kritisiert die Kritiker und das Gesetz

von KAIJA KUTTER

So viel Widerstand gab‘s selten. Als der Dekan des Fachbereichs Philosophie und Geschichtswissenschaft Jürgen Sarnowsky einen Brief an Bürgermeister Ole von Beust (CDU) entwarf, in dem er gegen Jörg Drägers „Hochschulmodernisierungsgesetz“ protestierte, hatte er nicht damit gerechnet, dass so viele Kollegen unterzeichnen. 211 Unterschriften liegen derzeit vor, Stimmen von Professoren und Dekanen, die davor warnen, mit den „Prinzipien der akademischen Selbstverantwortung“ zu brechen.

„Die Uni muss die Instanz sein, die sagt, worüber geforscht werden muss“, erläutert der Historiker Sarnowsky der taz. Würden dies, wie geplant, künftig externe Hochschulräte tun, fürchtet er Zustände, wie sie ihm ein Kollege der Universität Vechta zutrug: „Dort wurden willkürlich Fächer ausgedünnt.“

Bedenken, wie sie auch die SPD-Abgeordneten Barbara Brüning äußert. „Ich kenne dieses System aus Österreich“, sagte sie auf einer Uni-Podiumsdiskussion. „Da sitzt dann der Unterwäschefabrikant im Hochschulrat und fragt: wozu brauchen wir die Philosophie?“

Doch nicht alle Professoren lehnen externe Räte ab. So meldeten sich die Dekane der mathematisch-naturwissenschaftlicher Fächer, auch MIN-Gruppe genannt, mit einem eigenen Bürgermeister-Brief zu Wort: „Wir lehnen die fundamentale Kritik, die durch die Universitätsgremien geäußert wurde, ab und wünschen, den Gesetzentwurf in einem konstruktiven Dialog zu überarbeiten“, heißt es in dem Text, der von den Dekanen Physik, Mathematik, Chemie, Geowissenschaften, Biologie, Informatik und Sozialwissenschaften unterschrieben wurde.

„Im Grunde hätten wir auch einen gemeinsamen Brief schreiben können, aber uns hat der Charakter des Jammerns nicht gefallen“, erläutert einer der Unterzeichner. So teilen die Naturwissenschaftler die Kritik an der geplanten Einsetzung des Präsidenten und der Dekane von oben. Etwas gelassener stehen sie aber den externen Hochschulräten gegenüber. Könne die Uni doch schwer von sich aus Wirtschaftsinteressen nachgeben. Auch würden sich die Hochschulmitglieder bei schwierigen Entscheidungen im Akademischen Senat „im ungünstigen Fall neutralisieren“. Ein MIN-Dekan: „Man muss nur verhindern, dass inkompetente Leute in diesen Räten sitzen.“ Deshalb fordert die Gruppe, dass keines der 9 Mitglieder des Hochschulrats gegen den Willen der Universität berufen werden darf.

Die Dekane, die Fächer vertreten, denen es dank Drittmittelfluss nicht schlecht geht, liegen damit auf der Linie von Uni-Präsident Jürgen Lüthje, der jüngst an die Studierenden appellierte „den Hochschulrat nicht prinzipiell abzulehnen“. Könnte dieser doch die Autonomie der Hochschulen stärken, wenn er die „Aufgaben der staatlichen Aufsichtsbehörden“ übernehme und mehrheitlich von der Hochschule gewählt sei.

„Der Staat sollte seine Steuerungsfunktion nicht an private Hochschulräte abgeben“, warnt dagegen HWP-Präsidentin Dorothee Bittscheidt. Denn der Staat sei durch Wahlen demokratisch legitimiert, „die Hochschulräte aber nicht“. Ein Einwand, dem sich auch Sarnowsky anschließt: „Ich habe nichts dagegen, zur Behörde zu gehen und zu erklären, warum wir eine Stelle so oder so besetzen.“ Übernähmen dagegen nur ehrenamtlich arbeitende Hochschulräte die Aufsicht, fürchtet er „Zufallsentscheidungen auf die Schnelle“.

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