piwik no script img

Zuverlässiger Bahnkunde

betr.: „Die Bahn wähnt sich beflügelt“, „Leis und böse lächelt Mehdorn“, taz vom 10. 10. 02

Kennen Sie das Happy-Meal bei McDonald’s? Nein? Vielleicht kennen Sie aber das kleine hungrige Mädchen aus der Fernsehwerbung? Sie möchte unbedingt ein Happy-Meal!

Bahnchef Mehdorn hat dieses Prinzip der frühen Kundenbindung offenbar nicht verstanden, denn bei ihm wird es künftig kein Happy-Meal mehr geben (logisch, ohne Speisewagen). Wieso – Kids reisen doch künftig sogar gratis mit ihren Eltern? Stimmt, aber im Falle unserer Betrachtung wird der potenziell Schienenhungrige erst mit etwa 16 Jahren geboren – dann nämlich wird er selbstständig mobil und überlegt: Bleifuß oder Bahn. In dieser „Lebensphase“ (Pubertät) ist er nur in eine der neuen Mehdorn-Mensch-Kategorien verortbar: Spontan. Und die wird teuer! Plan + Spar zur Liebe in München – in sieben Tagen? Zug verpasst, 45 Euro? Twenticket, gestrichen – ersatzlos. Diese Zeilen wird er lesen und zum Bleifuß greifen, weil die Bahn ihm jeden verführerischen (Pubertät) Anreiz streicht. Dabei will die Bahn doch nachhaltig neue Kunden gewinnen? In dieser Phase 16 bis 26 Jahre prägt jeder sein Bewusstsein von Mobilität. Nur in dieser Zeit kann die „Verkehrswende“ (wider die Billigjets) konditioniert werden. Das ist nicht nur für die Umweltpolitik, sondern vor allem für einen nachhaltigen Bahnausbau ökonomisch essenziell.

Deshalb flehe ich Sie an, Herr Mehdorn, verkaufen Sie uns Happy-Meals! 50-Euro-Bahncard-50-Prozent-Rabatt bis 25 Jahre zum Beispiel. DANIEL OPPER, Kassel

Wenn ich die Meldungen um die neuen Bahnpreise richtig verstanden habe, kennt die Bahn nur einen Grund, weshalb der Reisende nicht in dem Zug sitzt, für den er gebucht hat: Nämlich weil sich der unzuverlässige Bahnkunde wieder einmal kurzfristig umentschieden hat. Merkwürdigerweise fällt mir da spontan ein weiterer Grund ein …

Mit anderen Worten: mir kommt jetzt schon die Galle hoch, wenn ich daran denke, wieder einmal in einem endlos verspäteten Zug zu sitzen und dann auch noch mit hohen Stornogebühren behängt zu werden. Das war’s dann wohl endgültig mit meiner Bahnfahrerei. SVENJA TIDOW, Wackerow

Vorstand und Aufsichtsrat der Bahn AG sind mit Leuten aus konkurrierenden Verkehrssystemen bestückt: Einige kommen von der Lufthansa, andere sind Manager in Autokonzernen. Sie führen bewusst den Crash des Konkurrenten herbei. So einfach erklärt sich, was die Bahn verzapft, seit sie keine Bundesbahn mehr ist.

THOMAS IMMANUEL STEINBERG, Hamburg

Wochenendbindung bedeutet, es muss eine Nacht von Samstag auf Sonntag dabei sein, das heißt, wer Montag fährt, kann frühestens am Sonntag zurück. Auch wenn sich die Bahn auf ihr sog. Kerngeschäft konzentriert und die Leute so günstig wie möglich und dabei auch noch pünktlich von A nach B bringen soll, wer sagt denn, dass die Bahn ein Unternehmen sein muss, dass nicht gewinnorientiert arbeitet?

Irgendwann sollte dieses Unternehmen so weit sein, auf Subventionen, das heißt Steuergelder verzichten zu können, und dies ist der erste Schritt in die richtige Richtung, schließlich arbeitet die Lufthansa schon seit Jahren mit diesem System profitabel. Stornogebühren sind ein normales Mittel, auch die Kunden zur Einhaltung ihres Teils des Vertrages zu bewegen.

Ich habe den Eindruck, dass hier nur alles schlecht gemacht wird, ohne die vielen Vorteile zu erkennen, die das neue System bietet. Es sollte wirklich so sein, dass die Bahnfahrer, die langfristig planen, auch dementsprechend belohnt werden. Flexibilität hat nun mal ihren Preis, aber wer das nicht will, ist sicher bereit, neue und höhere Steuern zu zahlen, um die Bahn funktionsfähig zu erhalten.

Ich hoffe nur, dass sich Rot-Grün schnell darauf einigt, auch Flugbenzin und die Tickets entsprechend zu besteuern, um Bahnfahren attraktiver zu machen. Ich nutze die Bahn regelmäßig, und ich weiß jetzt schon, dass ich von diesem System profitiere, genau wie die Mehrheit. […] ANDREAS BABIEL, Dublin, Irland

Bisher bin ich aus Überzeugung mit meiner fünfköpfigen Familie mit der Bahn in den Urlaub gefahren und habe selbige oft und gerne zum Erreichen von beruflichen Terminen (nicht vorausplanbar, von mir selbst bezahlt, da Freiberufler!) genutzt. Schöne Zeit, ade!

Nur noch ein letzter Wunsch: Bitte, bitte liebe Politik, umsteuern, umsteuern, umsteuern – auf Biegen und Brechen.

JOHANNES SIMON, Landsberg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen