: Forza Italia! Nieder Justitia!
Noch eine Justizreform in Italien: Anwälte angeklagter Politiker der Regierungspartei, die zugleich Abgeordnete sind, schreiben sich selbst ein Gesetz, mit dem sie leidige Verfahren abwürgen können
aus Rom MICHAEL BRAUN
Richtig gute Laune hatte der Abgeordnete Cesare Previti am Donnerstagabend nach dem Abstimmungsmarathon, in dem Italiens Rechtskoalition eine neue kleine Justizreform durchpaukte: die Möglichkeit für Angeklagte, in Zukunft bei Vorliegen eines „legitimen Verdachts“ betreffs der Unparteilichkeit ihrer Richter die Verlagerung ihres Verfahrens an einen anderen Gerichtsstand zu beantragen. „Ich glaube, mit diesem Gesetz wird das bestens laufen“, kommentierte Previti in eigener Sache, denn der Abgeordnete ist – ebenso wie Ministerpräsident Silvio Berlusconi – in Mailand wegen Richterbestechung angeklagt.
Die Mitte-links-Opposition sprach denn auch von einem „maßgeschneiderten Gesetz“. In der Tat wurde das Gesetz von einigen zugleich als Forza-Italia-Abgeordneten tätigen Berlusconi-Anwälten in direkter Abstimmung mit Previti formuliert und in rekordverdächtigen drei Monaten durch Kammer und Senat gebracht. Nach der endgültig letzten Abstimmung nächste Woche im Senat soll es dann – auch dies ungewöhnlich – nur einen Tag später in Kraft treten.
Ende Oktober geht der Prozess gegen Previti in die Schlussrunde – nun kann er gerade noch rechtzeitig abgewürgt werden. Die Verlagerung des Verfahrens nach Brescia nämlich würde den Neubeginn bedeuten und damit die sichere Verjährung. Berlusconi selbst hätte mit seinem ebenfalls in Mailand laufenden Prozess etwas mehr Zeit gehabt, aber er machte die zügige „Reform“ zur Chefsache, drohte gar mit Auflösung des Parlaments.
Dahinter mag Dankbarkeit stecken. Previti hatte Berlusconis Unternehmerkarriere jahrzehntelang als Anwalt begleitet und war ihm als einer der Mitgründer von Forza Italia in die Politik gefolgt. Es gibt eine andere Lesart: Berlusconi werde von Previti erpresst; der Anwalt kenne alle Geheimnisse des unternehmerischen Aufstiegs Berlusconis.
Den Schaden hätte Berlusconi auch in diesem Falle nicht. Er hätte seinerseits binnen weniger Monate mit dem Abschluss des letzten der vielen in den letzten Jahren gegen ihn gelaufenen Verfahren rechnen müssen, und auch seine Anwälte werden unmittelbar nach Verabschiedung des von ihnen selbst geschriebenen Gesetzes den Abbruch des Verfahrens erzwingen. Berlusconi wäre damit juristisch endgültig aus dem Schneider, nachdem er sich schon drei Prozesse per Abschaffung des Straftatbestands Bilanzfälschung vom Hals geschafft hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen