: Menschenleeres
Seltsam fremd erscheinende Innenansichten geschichtsträchtiger Hamburger Orte: Die dokumenta-Teilnehmerin Candida Höfer stellt 47 Fotografien im Jenisch Haus aus
Spezialisiert ist das Haus auf die Kultur des 18. und 19. Jahrhunderts, und es ist wesentlich ein Museum großbürgerlichen Interieurs. Doch mit der Kölner Fotografin Candida Höfer ist eine Gegenwartskünstlerin im Jenisch Haus zu Gast, die auch auf der gerade zuende gegangenen Documenta 11 ausgestellt hat. Gezeigt werden 47 Innenansichten von zwölf geschichtsträchtigen Hamburger Orten, darunter auch der Ausstellungsort selbst.
Entstanden sind die dokumentierenden Raumerforschungen der berühmten Fotografin bei einem längeren Hamburgaufenthalt vor zwei Jahren. Die Präsentation im Jenisch Haus nutzt auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin die unverändert starken Wandfarben der zurückliegenden Schinkel-Ausstellung und bewirkt so eine besondere Sensibilisierung für die Farbregie in Bild und Hängung.
Candida Höfers ruhige, malerisch komponierte Bilder sind stets menschenleer – mit einer Ausnahme: Im Tanzsaal des Ballettzentrums von John Neumeier ist hinter ihrem Kamerastativ die schwarzgewandete Fotografin im Spiegel zu erkennen. Und doch sind die abwesenden Nutzer der verschiedenen Räume stets in ihren Spuren gegenwärtig: Ihre Geschichte liegt zwischen den Dingen und findet sich in den kleinen Stilbrüchen, die notwendig bei der aktuellen Nutzung historischer Räume auftreten. Es ist das im Alltag optisch Unbewusste, was erst durch die Kunst der Fotografin richtig auffällt.
Obwohl die meist quadratischen Bilder zur genauen Orientierung stets Decke und Boden des porträtierten Raumes zeigen, erscheinen die eigentlich doch bekannten Orte seltsam fremd. Das liegt nicht zuletzt an Candida Höfers Poesie des Lichts, das ohne digitale Nachbearbeitung vom Labor so austariert wird, dass die Bilder gleich ob im hellsten Kunstlicht oder sanften Tageslicht erstellt, viel schattenfreier wirken, als das Auge vor Ort sie wahrnimmt. Hajo Schiff
Di–So, 11–18 Uhr, Jenisch Haus, Baron Voght-Straße 50; bis 19. Januar 2003Katalog im Verlag der Buchhandlung Walther König,118 S., 24 Euro
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