Kulturschock beim Broterwerb

Neu in Berlin, doch lange im HipHop: DJ Stylewarz findet auf seinem Debütalbum „The Cut“ die goldene Mitte aus Plattenteller-Akrobatik und kommerziellem Rap. Der Sohn eines Amerikaners, der mit dem Militär nach Deutschland kam, begann mit dreizehn Jahren bei Jams aufzulegen

Berlin ist cool, aber der Ost-Charme fängt langsam an zu nervenBeats bauen kann jeder, ein DJ-Album sollte was mit Deejayen zu tun haben

Für manchen lässt der Reiz der Großstadt schnell nach. „Berlin ist cool“, stellt Michael Whitelov fest, „aber der Ost-Charme fängt langsam an zu nerven.“ Dabei lebt Mister Whitelov nur ein halbes Jahr in Friedrichshain, und noch immer schockiert er die dortigen Bäckereifachverkäuferinnen zu jeder Tageszeit mit einem flotten „Moin Moin“. Hat er schließlich die ersten drei Jahrzehnte seines Lebens an der Nordseeküste verbracht. Vom eher beschaulichen Bremerhaven aus allerdings hat er sich längst unter dem Pseudonym Stylewarz als einer der versiertesten HipHop-DJs der Republik etabliert.

Nach Jahren als Gewinner von DJ-Battles und als Produzent und Tour-DJ vieler bekannter deutschen Rapper hat er nun das erste Album unter eigenem Namen herausgebracht. Auf „The Cut“ versammelt er zwar mit Torch, Eißfeldt von den Absoluten Beginnern oder Das Bo von Fünf Sterne Deluxe einige der prominentesten Stimmen im deutschen Rap, doch legt er Wert darauf, dass sein erster langer Entwurf zuvorderst ein DJ-Album ist – im Gegensatz zu den zuletzt recht erfolgreichen Veröffentlichungen etwa von Plattenpapzt, Roey Marquis Jr. oder anderen. „Beats bauen kann jeder, dazu muss man kein DJ sein“, sagt Stylewarz, „ein DJ-Album sollte was mit Deejayen zu tun haben.“

Das bedeutet, dass auf „The Cut“ nicht nur gerappt wird und die Beats rollen, sondern vor allem viel Platz bleibt für Stylewarz, ausführlich das zu präsentieren, was der HipHop-Head gemeinhin „Skills“ nennt. Und tatsächlich hebt sein technisches Vermögen an den Plattentellern Stylewarz aus der breiten Masse deutscher DJs heraus.

Auf der anderen Seite aber ist ihm die reine Turntable-Akrobatik der organisierten DJ-Wettbewerbe mit dem Alter zunehmend fremd geworden: „Das Battlen an sich hat keinen Wert mehr für mich, für mich ist es kein Leistungssport mehr. Mir geht es eher darum, neue Sachen zu lernen.“ Zu denen gehört auch die Erkenntnis, dass ein Track zuerst einmal als Track funktionieren muss und Fingerfertigkeit allein niemand zum Tanzen bringt. So ist es die herausragende Leistung von „The Cut“, den goldenen Mittelweg zwischen Turntablism und dem kommerziellen Potenzial von Rap gesucht und gefunden zu haben.

Auch inhaltlich beschäftigt sich „The Cut“ vornehmlich mit HipHop. In „Ein MC und ein DJ“ würdigt Ferris MC die kleinste denkbare Rap-Produktionseinheit, in „Ich hab den Größten“ parodieren Eißfeldt und David P die HipHop-immanente Großtuerei, und in „Stylewarz“ schließlich feiert Das Bo nicht nur den titelgebenden DJ, sondern erteilt vor allem all denen eine Absage, die hierzulande auch heute noch nur US-Vorbilder kopieren. „Zu viele wurden zu früh von Plattenfirmen gesignt“, wiederholt Stylewarz ein weit verbreitetes Urteil über den DeutschHop-Hype, „da blieb die Qualität auf der Strecke.“

Mangelnde Erfahrung kann man Stylewarz, der im November 31 Jahre alt wird, nicht vorwerfen. Als Sohn eines Amerikaners, der mit dem Militär nach Deutschland kam, wuchs er nicht mit Teeniepop, sondern mit Funk und Soul auf: „Parliament oder Earth, Wind & Fire, das lief den ganzen Tag bei uns zu Hause.“ Mit 13 Jahren begann er bei Jams aufzulegen, mit 15 schlug er seine erste DJ-Battle in einem GI-Club in Bremerhaven. In seinem erlernten Beruf als Lackierer arbeitete er nur einen Monat, „bis ich die Kohle zusammenhatte, um nach New York zu fliegen“. Zurück aus den Staaten schlug er sich mit ABM-Stellen durch, seit drei Jahren schließlich kann er allein von Musik leben.

So hat er alle Höhen und Tiefen miterlebt, durch die HipHop hierzulande bislang gegangen ist. Seine erste Band, No Remorze, hat die Pioniertage mit geprägt, das kommerzielle Hoch vor zwei Jahren schließlich konnte er als DJ von Ferris und D-Flame aus nächster Nähe begutachten und glaubt nun: „HipHop wird jetzt ernst genommen. Zumindest wird man nicht mehr belächelt wegen der weiten Hosen.“ Zum Aufstieg des Genres hatte er nicht unwesentlich beigetragen, als er einige konkurrierende DJs als Nichtskönner abqualifizierte, vor allem Thomilla von den Stuttgarter Turntablerockers. Die sich anschließende Auseinandersetzung zwischen Nord und Süd war selbstverständlich ein gefundenes Fressen für die Medien.

Nach Berlin kam er schließlich vornehmlich der Liebe wegen und weil sich Bremerhaven als „Sackgasse“ entpuppte: „Da ging nichts mehr.“ Seine „Homebase“, die meisten musikalischen Kontakte aber pflegt er trotzdem weiterhin mit Bremerhaven, wo auch sein ständiger Partner DJ Kaoz geblieben ist. Berliner Kollegen wie die Spezializtz kennt er zwar schon seit Jahren, aber noch ist er „froh, manchmal allein zu Hause zu sein“. So genießt einer der einflussreichsten deutschen DJs sein selbst gewähltes Exil. Und den täglichen Kulturschock beim Brötchenerwerb.

THOMAS WINKLER

DJ Stylewarz: „The Cut“ (Island/Mercury)