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Blechtrommel als Schlagzeugsolo

Der ostdeutsche Jazzmusiker Günther „Baby“ Sommer vertont schon seit Jahren Günter Grass auf dem Schlagzeug. Heute gibt er im Sendesal von Radio Bremen eine Solo-Performance zu Ehren des Schriftstellers

Die Blechtrommel: „Geschichten, die ich mir aufs Fell legen konnte“

taz: Herr Sommer, Sie haben den Ruf des „Grass-Trommlers“, weil sie viele seiner Romane mit ihm zusammen als Hörbücher produziert haben. Aber was wollen Sie denn jetzt ganz alleine auf der Bühne zu Ehren von Günter Grass spielen? Sie können ja schlecht etwa das 5. Kapitel der „Blechtrommel“ trommeln.

Günther Sommer: Nein, aber es sind ja meine Erfahrungen als Solomusiker, die zu dieser Zusammenarbeit mit Günter Grass geführt haben. Ich spiele nun schon seit 1976 Schlagzeugsolokonzerte, weil ich es irgendwann einmal leid war, nur der Timekeeper in der zweiten Reihe einer Jazzformation zu sein. Was ich da über viele Jahre entwickelt habe, ist in die Zusammenarbeit mit Günter Grass eingeflossen. Aber ganz bestimmte Passagen aus seinen Romanen sind mit der Zeit zu regelrechten Stücken von mir geworden. Und die spiele ich.

Das könnten Sie dem Publikum ja vorher sagen.

Ich habe mir über den Ablauf des Konzerts noch keine Gedanken gemacht, aber es fällt mir nicht schwer, da zu den einzelnen Stücken ein paar Takte zu erzählen. Ich werde jedoch nicht nur reine „Grassmusik“ vortragen, sondern es ist generell ein Solokonzert, bei dem ich auch Passagen aus meinem Repertoire spielen werde, und andere Teile werden erst dort erfunden. Ich bin ein Musiker, bei dem viele Dinge offen bleiben.

Wie sind Sie und Günter Grass überhaupt zusammengekommen?

Ich habe ja meine ersten musikalischen Grundschritte in der damals noch sehr stalinistischen DDR gemacht, die war eine Nation von Lesern, und so bin ich um 1985 auf die „Blechtrommel“ gestoßen. Und die hat mich damals so inspiriert; das waren Geschichten, die ich mir aufs Fell legen konnte. Nun war der Drucker von Günter Grass ein Freund von mir, und dem habe ich davon erzählt, dass ich dazu gerne etwas trommeln würde. Der hat das dann dem Grass erzählt, der fand das spannend und schickte mir eine Tonband-Kassette, auf der er für mich das erste Kapitel der „Blechtrommel“ gelesen hatte. Und da war ich dann begeistert von der Art, wie er gelesen hat. Er hat ja solch einen Sprachduktus und liest rhythmisch so klar strukturiert, dass für mich als Musiker gleich die Triolen oder die Sechzehntel klar zu erkennen waren. Da trat für mich der ursprüngliche Zusammenhang zwischen Trommeln und Sprechen so klar zutage, dass ich begeistert war. Wir sind dann zusammen in ein Studio gegangen, und mit den Jahren habe ich auch weitere seiner Werke wie den „Butt“, die „Rättin“ und zuletzt „Mein Jahrhundert“ mit ihm erarbeitet.

Die sind alle als Hörbücher auf dem Markt. Aber Sie treten auch live zusammen mit Günter Grass auf, und da gibt es doch ein Dilemma, denn er muss sich schließlich bei seiner Lesung Wort für Wort an den Text halten, während Sie als Jazzmusiker gefälligst zu improvisieren haben.

Welche Texte wir vortragen, steht immer vorher fest. Er liest dann und liest und liest, und wie man ihn ja kennt, kommt er dann an einen Absatz, bei dem er schon ziemlich oben unter der Decke ist. Und dann guckt er mich an, und dann führe ich das mit einem kleinen Solo musikalisch fort. Und dann geschieht das Wunderbare, das eigentlich nur mit Improvisationskünstlern passieren kann: Denn dann setzt er wie ein Saxophonist oder Pianist an genau der richtigen Stelle wieder ein. Und dieses Pingpongspiel zwischen uns ist ein hohes Vergnügen.

Sagen Sie, gab es eigentlich nach dem Nobelpreis für Grass so etwas wie eine Welttournee von Ihnen beiden?

Nein, wir haben das etwas kleiner gehalten, aber es gab tatsächlich in Rom eine Aufführung im Forum Romanum. Das war das beeindruckendste Ambiente, das ich je erlebt habe. Da kamen 3000 Italiener, und die haben unglaublich aufmerksam zugehört. Es gab dann eine große Leinwand, auf die die Texte auf Italienisch projiziert wurden.

Sie haben für ihre Solokonzerte ihr Instrumentarium radikal erweitert, spielen auf einem „Riesenschlagzeug“ und sind eigentlich schon eher ein Perkussionist als ein Schlagwerker. Worauf trommeln Sie?

Das sind extra für mich angefertigte Gongs, Röhrenglocken, Pauken, Orgelpfeifen, Holztrommeln, Metallteile, die ich mir von Klempnern besorgt habe usw. Das ist ein Sammelsurium von selbstgebauten und gefundenen Klangerzeugern.

Haben Sie auch eine Blechtrommel?

Öööh, das muss ich mir noch überlegen, ob ich nach Bremen eine Blechtrommel mitbringe. Das Gespräch führte Wilfried Hippen

Günther „Baby“ Sommer gibt im Rahmen der Sendung des Nordwestradios „Getrommelt und gepfiffen“ zum 75. Geburtstag von Günter Grass heute Abend um 22.05 Uhr im Sendesaal von Radio Bremen ein Solokonzert. Die taz verlost 5x2 Eintrittskarten: Heute ab 16.00 Uhr unter 0421-321353 anrufen!

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