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: Natürlich eitel: Der Schauspieler Rolf Zacher hat seine Erinnerungen verfasst

Nichts als die Wahrheit, aber besser

Wir lieben ihn. Wir lieben seine Charakterfresse. Obschon Rolf Zacher nicht zu den beliebtesten Gestalten des deutschen Films und Fernsehens gehört, ist er doch stets präsent. Er hat einen kleinen Mund und er hat tiefe Augen. Er spielt zumeist den Bösen, doch er spielt den Bösen mit Charme. Tritt er in deutschen Fernsehfilmen auf, so spielt er die meisten seiner Partnerinnen und Partner an die Wand. Gestalten wie er, Thilo Prückner oder Irm Herrmann sind es, die uns den Glauben an die deutsche Filmschauspielkunst nicht verlieren lassen. Wir sind also dankbar.

Nun hat Rolf Zacher seine Autobiografie veröffentlicht, und das nehmen wir ihm nicht übel. Andere Schauspieler in seinem Alter führen manchmal selbst Regie, sie malen oder beginnen gar eine Zweitkarriere als Romancier. Eine Autobiografie ist da schon fast freundliche Zurückhaltung.

Anders als der neue Autobiografienkönig und Buchhändlerretter Dieter Bohlen hat Rolf Zacher auch außerhalb des Bettes einiges erlebt. Zacher, der 1941 in Berlin geboren wurde, ist ein Flüchtlingskind. Erst floh er mit seiner Mutter und seinem Bruder in den Westen, dann ging die kleine Familie zu Verwandten in die DDR. Schließlich floh man, nachdem die Mutter des Schwarzhandels angeklagt wurde, nach Westberlin.

Auf dem Hof der Verwandten lernt der kleine Rolf das Land- und Gammlerleben lieben. Er entdeckt Pferde, Traktoren, Heuschober und genießt aus der Sicht eines Kindes die Gelassenheit, die das Landleben prägt. Auch in der großen Stadt, in der er schon bald eine Konditorlehre beginnt, bleibt Zacher das Naturkind und behält die ihm eigene Ungezwungenheit. Er wird Kleinkrimineller, kommt zu spät zur Arbeit, lugt in das Schlafzimmer der Konditorentochter und wird trotzdem nie hart zur Rechenschaft gezogen, denn er entwickelt Charme und komödiantisches Talent. So bewirbt er sich auch auf einer Schauspielschule, kellnert zugleich im Eden, gründet ein kleines Theater und wird zu einer Lokalberühmtheit. Ein Engagement in Hamburg folgt.

Bis hierhin ist die Autobiografie des leidenschaftlichen Autofahrers Zacher schön zu lesen, es hat etwas leicht Opahaftes, wenn er von seinen Streichen erzählt, und gern liest man diese in einer Sprache, die sich ihres Tonfalles nicht sicher ist. Passagenweise wirkt der ganze Text sogar wie ein Gesprächsmitschnitt. Der Ton aber ändert sich, als Zacher Filmschauspieler wird – nun drängt sich viel Eitelkeit in den Text. Zacher prahlt mit seinen Liebschaften und mit seinen Bekanntschaften (als sei es für Schauspieler etwas Besonderes, andere Schauspieler zu treffen!), und Zacher prahlt mit seinem Geld und mit seiner Gelassenheit. An diesen Stellen wirkt der Text angestrengt, gerade weil Zacher versucht, locker zu wirken.

So erzählt er von seiner Ehe mit Gisela-Martina Getty und nicht zuletzt auch von deren Zwillingsschwester Jutta Winkelmann. Beide gerieten in die Schlagzeilen, als Gisela-Martinas zweiter Ehemann, der Millionärssohn Paul Getty III., entführt wurde – dabei verdächtigte man Zacher wiederum als Entführer, und er sah sich von der Boulevardpresse gejagt. Er erzählt von seiner Heroinsucht, von großer Pleite und von Beschiss. Doch, wie gesagt, die Eitelkeit, die hier Zachers Text durchzieht, macht das Lesen anstrengend. Vielleicht hätte Zacher besser doch Regie geführt oder gemalt. JÖRG SUNDERMEIER

Rolf Zacher: „Endstation Freiheit. Erinnerungen“. Argon Verlag, Berlin 2002, 320 S., 19,90 €