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Game over im Internetcafé

Seit dem Frühjahr durchsucht die Polizei verstärkt öffentliche Computerkabinette und findet dort Spielhöllen, Drogen und Pornos. Die Rechtsgrundlage für Betrieb oder Schließung ist jedoch wacklig

von HANNO CHARISIUS

Zwischen Empörung und Verzweiflung schwanken Betreiber von Internetcafés in Berlin. Seit dem Frühjahr greifen die Ordnungsbehörden hart durch: 100 Durchsuchungen, 25-mal der Befund „spielhallenähnlich“, vier Schließungen wegen Verletzung der Gewerbeordnung und/oder des Jugendschutzes. Die konzertierte Aktion von Polizei, Bezirks- und Finanzämtern hinterlässt die Inhaber der I-Cafés in tiefer Ratlosigkeit.

Andreas Sobisiak blieb bislang verschont. Doch seit er vor ein paar Wochen sein Geschäft in Steglitz eröffnet hat, wartet er „auf die Polizei“. Sieben Computer stehen in seinem Laden, in dem er auch Platten verkauft, PC-Schulungen durchführt und Nachhilfeunterricht erteilt. „Ich möchte mich nicht falsch verhalten“, sagt er. Was richtig und was falsch ist, muss er allerdings selbst herausfinden. „Was die Polizei da macht, passt nicht zu den Gesetzen“, meint Sobisiak.

Das Berliner Landeskriminalamt (LKA) sieht die Sache anders. Bei einer Razzia in zwanzig Internetcafés entdeckte die Polizei in der vergangenen Woche erneut sieben „spielhallenähnliche Betriebe“. Einer wurde sofort geschlossen. 11 Strafanzeigen und 59 Ordnungswidrigkeitsanzeigen wurden erstattet. 60 Computer und 6 Festplatten wurden zur Beweissicherung beschlagnahmt. Die Beamten wollen belegen, dass pornografisches Material auf den Rechnern lag, und festhalten, welche Spiele installiert waren. Etwa 150 Gäste wurden kontrolliert, darunter 39 Kinder und 68 Jugendliche.

Was treibt die Berliner Ordnungsbehörden zum bundesweit beispiellosen Alleingang gegen Internetcafés? „Es begann mit Anrufen von besorgten Eltern“, erzählt Kriminaloberrätin Gitta Huwe, die sich im LKA mit Gewerbedelikten beschäftigt. Als sie den Hinweisen auf Gewaltspiele und vereinzelten Drogenkonsum mit Kollegen nachging, seien sie auf ein „für uns neues Phänomen“ gestoßen: Teils düstere Kammern, in denen Kinder und Jugendliche an vernetzten Computern gegeneinander spielen. Den Ego-Shooter Counter Strike zum Beispiel, der nach dem Amoklauf an einer Erfurter Schule auf dem Index landen sollte. E-Mail-Kommunikation oder Internetrecherchen waren auf den meisten Cafébildschirmen nur Nebensache.

Laut Gesetz sind Unternehmen „spielhallenähnlich“, wenn sie „ausschließlich oder überwiegend der Aufstellung von Spielgeräten dienen“. Ein solches brauchte eine andere Konzession, dürfte nur von Erwachsenen betreten werden und müsste Vergnügungsteuer abführen.

Unter Betreibern, Behörden und Juristen ist allerdings umstritten, wann ein Spielbetrieb „überwiegend“ stattfindet. Dem LKA reichen für diese Klassifizierung vernetzte Computer ohne Internetanschluss, aber mit installierten Spielen. Auch der Name des Cafés lasse Rückschlüsse zu, sagt Gitta Huwe. Oder das Ambiente. Abgedunkelte Kellerräume etwa seien ein Indiz für Spielstätten.

Diese Auffassung geht dem Mannheimer Rechtsanwalt Andreas Lober zu weit: „Einen PC kann man kaum pauschal als Spielgerät bezeichnen, da er auch andere Möglichkeiten bietet.“ Lober, der sich früher ein paar Mark als Spieletester verdiente und seine Dissertation über Computerspiele und Jugendmedienschutz geschrieben hat, berät inzwischen mehrere Berliner I-Café-Betreiber. Selbst wenn die Computer nur untereinander vernetzt, nicht aber ans Internet angeschlossen seien, erklärt Lober, könne man das Geschäft nicht ohne Zweifel als Spielhalle einstufen. „Für die Ermittlung der Schwerpunktnutzung im Internetcafé kommt es darauf an, was die Nutzer tatsächlich am Bildschirm tun.“ Dabei reiche es aber nicht aus, sich auf Indizien „wie die Gehäusefarbe des Computers zu stützen“, oder die Beleuchtung des Raums. Er fordert Fachkompetenz in den Behörden. Denn in einigen Bezirksämtern herrsche, so Lober, „erschreckende Unwissenheit“ über Computerspiele und deren jugendgefährdendes Potenzial.

Bis ein Gericht endgültig über die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Internetcafés eine Erlaubnis als Spielhalle benötigen, entschieden hat, „werden noch einige Monate vergehen“, glaubt Lober. Bis dahin wird Andreas Sobisiak nicht wissen, ob er ein harmloses I-Café betreibt oder eine Spielhölle.

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