: Einsatz an der „Angriffsfront Intimleben“
Wie die Staatssicherheit ihre wenigen weiblichen Mitarbeiter nutzte: am liebsten im Bett oder in der Putzkolonne
BERLIN taz ■ Man hatte sich Großes vorgenommen für die weibliche Hälfte des Arbeiter- und Bauernstaats: „Wie nie zuvor“, heißt es in einem „Befehl“ des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) von 1962, könnten „Frauen und Mädchen in der DDR all ihre Fähigkeiten entfalten.“ Auch dem MfS befahl Generaloberst Mielke bei dieser Gelegenheit die „allseitige Entwicklung und Förderung der weiblichen Mitarbeiter“.
Wie die spezifisch weiblichen Fähigkeiten in den Augen der Stasi aussahen, hat nun eine Mitarbeiterin der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) erforscht: Besonders gerne wurden sie als „operative Betten“ an der „Angriffsfront Intimleben“, also als (Quasi-)Prostituierte genutzt – aber auch in der „Hausfrauenbrigade“, einer Putzkolonne für die ministeriellen Räume. Unter den „oberen Zweitausend“ auf den MfS-Gehaltslisten befanden sich gerade einmal 48 Frauen. Ein Anteil von 2,4 Prozent, rechnete Angela Schmole Dienstagabend auf der Veranstaltung „Frauen im MfS“ in Berlin vor. Außer als IM oder als Hauptamtliche hätten Frauen als „Ehefrau oder Lebensgefährtin eines MfS-Offiziers“ eine Rolle gespielt. Als solche wurden sie im Zweifelsfall als „austauschbar“ abgelehnt.
Nun ging es der Historikerin Schmole nicht in erster Linie darum, auf die Benachteiligung der Frauen im Allgemeinen mit Hilfe ihrer Diskriminierung im MfS hinzuweisen. Insgesamt lag die Frauenquote immerhin bei bis zu 16 Prozent – die, so Schmole, „tragen natürlich ebenso Verantwortung wie ihre männlichen Kollegen“. Belinda Cooper, US-amerikanische Juristin, die zu „Frauen in der Stasi“ forschte, konstatierte allerdings, dass Frauen heute ihre Vergangenheit offensiver bewältigen: „Häufig sind sie gesprächsbereiter.“
Darüber, warum die Frauenquote in der Stasi nicht höher war, lässt sich nur spekulieren. Geht man davon aus, dass sie nicht die besseren Menschen sind, bleiben eine Reihe anderer Erklärungen: IMs wurden häufiger in „männlichen“ als in „weiblichen“ Umgebungen eingesetzt. Wegen der auch in der DDR üblichen Doppelbelastung waren sie weniger flexibel einsetzbar. Sie hatten größere Probleme, dauernde abendliche Abwesenheit zu erklären. Der Stasi selbst galten Frauen als „schwatzhaft“. Auch neigten sie angeblich dazu, ihren Führungsoffizier als Beichtvater, Vater- oder Freundesersatz zu begreifen. Und: Es wurden „sexuelle Vertraulichkeiten“ befürchtet – weswegen Führungsoffiziere nicht selten zu zweit zu Treffen geschickt wurden.
Belinda Cooper hält es nicht für ausgeschlossen, dass Frauen in ihrer Rolle als Mutter und Arbeiterin mehr soziale Anerkennung fanden als Männer – und somit die Zahl derer, die sich als IM fragwürdigen Respekt verschaffen wollten, kleiner gewesen sei. In jedem Fall hielt es auch das MfS für geboten, bei der Rekrutierung von Frauen „ausdrücklich den humanistischen Charakter des Ministeriums zu begründen.“ JEANNETTE GODDAR
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