piwik no script img

Schröders Erneuerung

Mit Renate Schmidt und Manfred Stolpe holt sich der Kanzler zwei altgediente Genossen in sein Kabinett. Stolpe sieht sich als pflichtbewusster Preuße, Schmidt plante politischen Ruhestand

BERLIN taz ■ Die neue Politik für Familien und für den Osten überlässt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zwei verdienten Genossen, die sich aus der Tagespolitik bereits verabschiedet hatten. Der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (66) übernimmt das neue Ressort für Bauen, Verkehr und Aufbau Ost. Die ehemalige bayerische SPD-Vorsitzende Renate Schmidt (58) wird Ministerin für Frauen, Familie, Jugend und Senioren. Damit komplettierte Schröder vor der gestrigen Unterzeichnung des Koalitionsvertrags die rot-grüne Regierungsmannschaft.

Der neue Minister für den Aufbau Ost ging gestern mit gedämpfter Begeisterung ans Werk: „Sie sehen hier keinen glücklichen Sieger, sondern einen verantwortungsbewussten Preußen.“ Der Wunschkandidat Wolfgang Tiefensee (47), der eigentlich für eine Verjüngung des Kabinetts sorgen sollte, habe sich in den entscheidenden Gesprächen am Montagabend „zögerlich verhalten“. Deshalb, so Stolpe, habe er sich in die Pflicht nehmen lassen, obwohl er viel lieber eine Reise nach San Francisco unternehmen wollte.

Auch Stolpes künftige Kabinettskollegin Renate Schmidt hatte bereits ihren politischen Ruhestand geplant, als sie vor zwei Jahren von ihren bayerischen Parteiämtern zurücktrat. Sie könne sich gut „ein Leben jenseits des Rampenlichts“ vorstellen, bekannte sie damals. Schmidt wurde bereits in der Vergangenheit als mögliche Nachfolgerin der lustlos agierenden Familienministerin Christine Bergmann gehandelt, doch in den vergangenen Wochen galt sie nur noch als Kandidatin für den Pensionärsjob der Bundespräsidentin. Beim Familienressort schienen die Zeichen auf Verjüngung zu stehen: Im Gespräch war die frühere Wirtschaftsministerin von Sachsen-Anhalt, Katrin Budde (37).

Entsprechend harsch fiel gestern die Kritik aus. Die rot-grüne Koalition habe nicht nur in ihrem Programm, sondern auch in der Auswahl ihres Personals Rückständigkeit bewiesen, sagte CDU-Chefin Angela Merkel. Aus den eigenen Reihen wurde die Debatte um Stolpes Verbindungen zur Stasi wiederbelebt. Nun sitze erstmals „die Firma mit am Kabinettstisch der Bundesrepublik“, sagte der bisherige Staatssekretär im Verkehrsministerium, Stephan Hilsberg (SPD). RAB

brennpunkt SEITE 3, 4 meinung SEITE 12

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen