: Regelungsbedarf angemahnt
Datenschützer empfehlen, ohne Zustimmung der Patienten dürfe nicht an Körpersubstanzen geforscht werden
Nicht nur die Medizinrechtler sind sich uneins bei der Frage, ob eine Handlungsbedarf bei der Forschung mit menschlichen Körpersubstanzen bestehe. Selbst die Genforscher selbst sind zerstritten.
Es gebe doch Regelungen, sagte vor kurzem Professor Detlef Ganten, Direktor vom Max-Delbrück-Zentrum (MDC) in Berlin-Buch auf einer Veranstaltung der Nationalen Ethikrates. Ganten, der auch Mitglied in dem Ethikgremium ist, verweist auf die Ethikkommissionen, die alle Forschungsvorhaben begutachten müssen, bei denen Patienten involviert sind. Sie würden schon verhindern, dass unrechtmäßige oder ethisch nicht vertretbare Forschungsprojekte durchgeführt würden.
Die Praxis zeigt jedoch, dass nicht jedes Forschungsprojekt, bei dem Körpersubstanzen genutzt werden, auch einer Ethikkommission vorgelegt werden. So werden häufig bei der Therapie oder der Diagnose anfallende überschüssige Blutproben für die Forschung genutzt, ohne dass eine Stellungnahme der Ethikkommission eingeholt wird.
Selbst wenn diese anonymisiert werden, also die Blut- oder Gewebeprobe nicht mit einer Person verknüpft weren können oder wenn, nur mit sehr hohen Aufwand, sollte eine Einwilligung des Patienten eingeholt werden, empfiehlt der Arbeitskreis Medizinischer Ethikkomissionen in Deutschland. „Die Aufbewahrung, Verwendung und sonstige Nutzung von Gewebeproben erfordert grundsätzlich eine Zustimmung des Betroffenen“, heißt es in einer Empfehlung, die der Arbeitskreis im vergangenen Jahr verabschiedet hat. Er weist auch darauf hin, dass „lediglich eine faktische Anomysierung möglich ist“. Damit übernimmt der Arbeitskreis die Position der Landesdatenschutzbeauftragen, die vor längerem schon festgestellt haben, dass Gewebeproben durch den genetischen Fingerabdruck praktisch immer auf eine konkrete Person zurückgegeführt werden können. Eine Anonymisierung sei somit nicht durchführbar. Folglich müsse für Forschungsvorhaben auch grundsätzlich eine Einverständniserklärung vorliegen.
Auch bei der Form der Zustimmung liegt einiges im Argen. So verwenden einige Kliniken Formulare auf dem lediglich eine allgemeine Forschungserlaubnis aufgeführt wird. Ein konkretes Forschungsprojekt, die Verantwortlichen oder die Art der Datenspeicherung werden nicht beschrieben. Derartige Formulare lehnt der Arbeitskreis der Ethikommissionen zumindest für nicht anonymisiertes Material eindeutig ab: Eine „globale Zustimmung“ sei hier grundsätzlich ausgeschlossen.
Seit einiger Zeit schon hat sich der von Bundeskanzler Gerhard Schröder einberufene Nationale Ethikrat des Themas Biobanken angenommen. Voraussichtlich bis Mitte nächsten Jahres, so die derzeit grobe Zeitplanung, will das Gremium eine Stellungnahmen zum Umgang mit dem gefragten Körpergewebe vorlegen.
Nächsten Donnerstag wird der Ethikrat in Berlin dazu eine Expertenanhörung durchführen. Auch die Öffentlichkeit ist dazu eingeladen. Auch Sitzungen mit der französischen „Nationalen Beratungskommission für Ethikfragen“ sind geplant. Anvisiert ist ein gemeinsames Positionspapier, dass unter anderem bei der EU-Kommission vorgelegt werden soll, um einheitliche europäische Regelungen auf den Weh zu bringen.
WOLFGANG LÖHR
Infos: www. ethikrat.de
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