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Kein Lese-Fast-Food

Ein neuer Bremer Kinderbuchverlag serviert sechs nagelneue Bücher. Das Menü beim Rößler Verlag ist liebevoll zubereitet, nicht zu teuer, aber mit dem Zucker wurde auch nicht gespart. Ein Liebhaberprojekt eines vorlesebegeisterten Bremers

„Beschäftigen Sie sich mindestens zehn Minuten am Tag mit ihrem Kind“, empfiehlt eins von diesen tausend Erziehungsratgeberbüchern. Zehn Minuten, das sind ja ganze 0,7 Prozent eines Gesamttages! Ist das nicht ein bisschen viel verlangt von den Mamis und Papis?

Wenn wirklich alle Eltern sich an diese Mindestangabe (entspricht ungefähr einmal Zähneputzen und „Gute Nacht“-Sagen) halten würden, dann könnte Bernd Rößler einpacken, noch bevor er seine neuen Kinderbücher richtig ausgewickelt hat. In den Familien soll mehr vorgelesen werden, so seine Idee, und dafür möchte er die Geschichten herausbringen. Im Juni dieses Jahres hat er den kleinen Rößler Verlag gegründet und bis dato sechs Bücher auf den Markt gebracht, Vorlesebücher hauptsächlich: Richten sich die meisten Kinderbücher, die neben Bildern eine größere Menge Text beinhalten, an Erstlese-Kinder im Alter von sieben oder acht Jahren, so sind die Rößler-Bücher explizit zum Vorlesen gemacht. Die Schrift ist klein und die Sätze recht lang, die Geschichten mit ihren reichhaltigen Illustrationen eignen sich aber auch für jüngere Kinder. Bei Vierjährigen kann man es schon mal mit Rößler-Geschichten versuchen. Bücher wie „Mirsehna und der Zauber der Farben“ oder „Die Abenteuer von Fifi und Knoten“ wiederum sind auch für kleine SelbstleserInnen geeignet, in ihrem Alter könnten sie sich allerdings allmählich an der etwas säuseligen Sprache stören, die sich durch die Edition zieht.

Dem Interesse des Publikums auf der Frankfurter Buchmesse hat das keinen Abbruch getan: „Gerade das Vorlese-Konzept hat die Leute begeistert“, sagt Anja Lösch, die Produktion, Vertrieb und Vermarktung organisiert. Mehrere Großhändler haben Rößler in ihr Programm aufgenommen.

Die Bücher „Familie Igel und der Wichtelmann“ und „Sophia auf der Engelswiese“ hat Bernd Rößler zum ersten Mal vor zehn Jahren im Selbstverlag herausgebracht, ist mit ihnen persönlich von Buchhandlung zu Buchhandlung getingelt. In diesem Jahr nun kam der Ruhestand und mit ihm frei werdende Kapazitäten zur Gründung der kleinen Verlags-GbR. Nun will er zweimal jährlich drei bis fünf Kinderbücher herausbringen. „Das ist reine Liebhaberei“, sagt Anja Lösch, „Geld kann man mit einem kleinen neuen Verlag nicht verdienen.“

Bei der Edition Temmen in der Hohenlohestraße bewohnt der Verlag ein kleines Zimmerchen. Temmen, ebenfalls kleiner Bremer Buchverlag, hilft auch bei der Produktion der Bücher. Und das ist ein aufwändiges Geschäft: Ein freier Lektor geht auf die Suche nach Geschichten. Ist ein Manuskript von ihm, Rößler und Frau Lösch angenommen, muss ein passender Illustrator oder eine Illustratorin gefunden werden. Der oder die macht sich dann zusammen mit AutorIn und Lektor an die Arbeit. „Kinder sind für einen Illustrator ein sehr anspruchsvolles Publikum“, sagt Andreas Teutsch, Illustrator von „Jakob Rabenaas“, „Sie sind aufmerksam und haben Spaß am Entdecken“. Wenn die Zeichnungen fertig sind, folgt Layout, Satz und schließlich der Druck.

Liebevoll hergestellt und trotzdem nicht teuer: Die Rößler Bücher sind für Preise zwischen neun und 13 Euro in jeder Buchhandlung zu bestellen. Aber nur von denen, die Lust auf mehr als Zehn-Minuten-Fastfood-Bespaßung haben. wag

Mehr Infos zum Verlag gibt es unter www.roessler-verlag.de

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