: Wahlkampf mit Kritik an eigener Partei
Der 23-jährige Philipp Mißfelder will als neuer Vorsitzender der Jungen Union frecher sein als seine VorgängerInnen
Wenn Philipp Mißfelder in diesen Tagen an sein Handy geht, hält er es lieber ein paar Zentimeter weit von seinem Ohr weg. Denn manchmal wird es laut, wenn gesetzte Parteifreunde den aufstrebenden Jungpolitiker anrufen, der gestern Abend als einziger Kandidat zum neuen Vorsitzenden der Jungen Union (JU) gewählt werden wollte.
Mißfelder kriegt damit die verbale Quittung, weil er sich mit starken Worten in die Öffentlichkeit gewagt hat. „Die CDU versteht die Jugend nicht mehr“, sagte er diese Woche in einem Interview mit der NRW-taz. Seitdem steht er im Kreuzfeuer der Unions-Altvorderen. „Wenn ein 23-Jähriger Politik macht, ist er eben nicht so berechenbar, wie wenn andere Leute das machen“, formulierte er gestern kurz vor der Wahl diplomatisch. Ganz berechnend war er in den vergangenen Monaten aber übers Land gezogen und hatte alle Verbände der JU hinter sich gebracht. Auf dem wohligen Kissen mehrheitlicher Nominierungen fiel es ihm leicht, freche Töne auch gegenüber Parteichefin Angela Merkel anzuschlagen.
Mißfelder will im Gegensatz zu seinen Vorgängern kein angepasster Jungpolitiker werden. Dass sein Verhältnis zur scheidenden JU-Chefin Hildegard Müller nicht das Beste ist, hört man zwischen den Zeilen klar heraus. „Das ist eben ein echter Generationswechsel“, sagt der Jurastudent ausweichend. Parteipöstchen sammeln wolle er nicht, auch wenn der Bochumer stets zielbewusst nach oben schielte.
Schon mit zwölf Jahren strebte er in die JU, so jung wollte die ihn aber nicht haben. Erst mit 14 durfte er mitmachen – konsequent arbeitete er sich nach oben. Als er vor zwei Jahren in den CDU-Bundesvorstand gewählt wurde, staunten nicht wenige. Jetzt will er wieder raus: „Ich will mich auf den JU-Vorsitz konzentrieren. Das war doch das Problem der bisherigen JU-Vorsitzenden, dass sie zu sehr in Loyalitäten gegenüber der Mutterpartei eingebunden waren.“
Die Union habe die verlorenen Bundestagswahlen nicht aufgearbeitet, diktiert Mißfelder den Journalisten gern in den Block. Dafür erntet er wenig Beifall. Schwarz-Grün ist für ihn eine Vision, die auch nicht alle Parteifreunde teilen: „Das wird vor allem wegen der starken konservativen Kräfte in der CDU ein langer Diskussionsprozess.“ Weitere Zoffthemen für die zunächst zweijährige Amtszeit hat sich Mißfelder schon zurechtgelegt. „Wir müssen ernsthafter über den Generationenvertrag reden und uns nachhaltiger mit der Schonung von Umweltressourcen beschäftigen.“
Dass in der Union Jugendthemen mehr Bedeutung bekommen sollen, ist als Forderung sicher nicht neu. Ob sich Mißfelder mit dem neuen Konfrontationskurs aber innerparteilich wird durchsetzen können, bleibt abzuwarten. Die eher lautlose JU der vergangenen Jahre war der Parteiführung zumindest bequemer. Jetzt pocht Mißfelder plötzlich darauf, dass junge Leute auch in der Hierarchie der Mutterpartei mehr zu sagen bekommen sollen. Die Älteren vernehmen’s mit Schrecken. Mißfelder weiß aber auch, dass seine Junge Union zu alt geworden ist. Man müsse endlich wieder jüngere Mitglieder werben, und das gehe eben nicht mit Stromlinienförmigkeit. Für ihn aber ist Politik stets auch „Teil der Freizeitgestaltung“, die ansonsten aus seinem Jurastudium, Joggen und Badminton besteht. FRANK ÜBERALL
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