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minenspiel im horizont von RALF SOTSCHECK

Als die Gauloises-Damen die Kneipe betraten, war der Abend gelaufen. Dabei hatte er so viel versprechend begonnen: Wir saßen im „Horizont“, einer gemütlichen Kneipe in Frankfurt, in der das Kölsch nicht in Kindernäpfen wie in Köln ausgeschenkt wird, sondern in anständigen Gläsern. Dann kamen die blau-uniformierten Gauloises-Ladys.

„Jetzt gibt es kostenlose Zigaretten“, meinte Elsemarie. „Sie tauschen die angebrochenen Schachteln der Gäste gegen neue Gauloises-Päckchen aus.“ Mark, Mike und ich stopften geschwind unsere Zigaretten lose in die Tasche und ließen eine Alibi-Kippe im Päckchen, damit sich der Tausch ordentlich lohnte. „Ah, es gibt Zigaretten“, meinte Mark, als eine der Zigaretten-Damen an unseren Tisch trat. „Nö“, sagte sie. „Aber ihr könnt etwas gewinnen, wenn ihr ein paar Fragen richtig beantwortet.“

Wie schnell darf ein Moped in Frankreich fahren? Mike wusste es: „45 Stundenkilometer, ist doch klar.“ Auch den französischen Begriff für bleifreies Benzin und das Straßenschild für eine Nothaltespur stellten uns vor keine Probleme. Aber dann: „Lautet der Polizeiruf in Frankreich 17 oder 117? Bedeutet eine gelbe Linie am Straßenrand Park- oder Halteverbot?“ Es sei doch logisch, meinte ich: „Bei den ersten drei Fragen war stets die zweite Antwort richtig. Warum sollte es bei den letzten beiden Fragen anders sein?“

Es war anders. Wir bekamen einen Trostpreis – vier riesige blaue Labyrinth-Schreiber. Das ist kein Kuli für den Gebrauch in Irrgärten, sondern ein heimtückisches Schreibgerät, bei dem sich der Knopf für die Mine nur dann herunterdrücken lässt, wenn man ihn sachte hin- und herbewegt, so dass er den Weg durchs Labyrinth findet. Während wir noch an der Plastikhülle herumnestelten, schrieb Mike bereits seinen Namen auf den Bierdeckel. „Ist doch einfach“, triumphierte er, „ihr müsst euch nur die Linien auf dem Rumpf des Knopfes einprägen.“ Mike spiele Blindschach und benötige niemals einen Stadtplan, sagte Mark und riet, Mike zu ignorieren.

Mark schlug den wissenschaftlichen Weg ein und sezierte den Kugelschreiber. Nach einer Viertelstunde tränten ihm die Augen. „Ich bin kurzsichtig“, weinte er, „ich kann die Maserung nicht erkennen. Ich kann nicht mal mehr den Kugelschreiber sehen.“ Ich bekam die Mine zwar heraus, konnte sie aber nicht arretieren. Wenigstens konnte man das Gerät nun wie einen Faustkeil benutzen, indem man den Knopf mit dem Daumen festhielt. „Das überfordert mich alles“, stöhnte Elsemarie. „Wer will aber auch mit einem solchen Dildo schreiben?“ Dann fiel ihr das Ei des Kolumbus ein. Sie hieb mit dem Kugelschreiber auf die Tischplatte, dass er in tausend Stücke zersprang. Immerhin hatte sie dadurch die Mine aus dem Gehäuse bekommen. Doch nun war sie verschwunden. Vermutlich steckt sie noch in der Decke des „Horizont“.

Aber eigentlich hatten wir mit unserem Trostpreis noch Glück. Was denjenigen geschah, die alle fünf Fragen korrekt beantworteten und einen richtigen Preis gewannen, erfahren Sie nächste Woche.

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