Von Träumen und von Mut

Das Theater am Deich gibt „Die fremde Stadt“ von Priestley

Sie alle kennen einander nicht, wissen nicht, was sie voneinander zu halten haben

An Lehester Diek, dor gifft dat ’n Amatör-Theoter, dor snackt se keen Platt mehr, dor köönt se all Hochdüütsch. Wi hefft dat liekers verstahn.

Theater am Deich Hanseaten-Klub Bremen e.V. heißt es und betreibt am Lehester Deich 92A in einer ehemaligen Zwergschule ein Theater mit 99 Plätzen für zwei Inszenierungen pro Jahr. Es besteht seit über 50 Jahren und ist fast immer ausgebucht.

Das aktuelle Stück, unter der gemeinsamen Regie von Gisela Koppel und Ralf Witte überzeugend gestaltet: Die fremde Stadt von John Boynton Priestley. Originaltitel: They came to a city.

Das Motto, unter dem dieses Stück steht: „Wenn Sie Ihrem großen Lebenstraum begegnen, würden Sie ihn erkennen? Und würden Sie den Mut aufbringen, Ihren bisherigen Weg zu verlassen?“ Neun Menschen sehen sich vor den Toren einer fremden Stadt urplötzlich mit dieser Entscheidung konfrontiert. Allen voran die arrogante Lady Loxfield (Ingrid König). Eine Dame der „Upper-Class“, die eine symbiotische Bindung zu ihrer Tochter Philippa (Vanessa Glinka) hat und nicht wahrhaben möchte, dass ihr Kind inzwischen erwachsen geworden ist.

Eher eingefahren ist dagegen die Beziehung der Eheleute Stritton aus Lemstedt. Während Dorothy (Heike Kurt) ihren Pantoffel-Helden Malcolm (Werner Schrader) – ihren Mann – herumkommandiert, sucht der großspurige Kaufmann Fred Cudworth (Frank Egles) dringend ein Postamt, um zwei wichtige Telegramme aufzugeben.

So viel Geschäftstüchtigkeit beeindruckt den versnobten Lebemann und Golfspieler Sir George Gedney (von Gerd-Lüder Knief prächtig dargestellt), dessen erster Kontakt vor dem Stadttor Mutter Batley ist. Sie ist eine Reinemachefrau aus Pochhammer, die sich vor den Toren der Stadt vom Putzen erholt. Leider hält sie (Helga Borchers) sich weitgehend im dunklen Bühnen-Hintergrund, so dass das Wichtige, was sie sagt, mitunter schwer zu verstehen ist.

Sie alle kennen einander nicht, wissen nicht, was sie voneinander zu halten haben. Sie lugen neugierig und verhalten über die Mauer in die Stadt mit dem verschlossenen Tor. Ein zaghaftes Rufen provoziert nur den hämischen Kommentar: „Sie müssen so rufen, als ob Sie es auch meinen!“

Als das Tor bei Sonnenaufgang geöffnet wird, gehen sie zögerlich mit ganz verschiedenen Erwartungen hinein. Sie erleben die dort vorgefundene alternative Gesellschaft auf ganz verschiedene und widersprüchliche Weise, entsprechend ihrem jeweiligen Charakter. So kommen sie zu Sonnenuntergang, als das Tor wieder geschlossen wird, heraus um wegzugehen oder zurück um zu bleiben.

Derweil hat sich zwischen der kessen Bardame Alice Forster (Hilke Müller) und dem vorlauten Seemann Joe Dinmore (Ole Aschemeier) eine zarte Liebe entwickelt, die am Ende auf eine entscheidende Probe gestellt wird.

Das Stück sollte ins Plattdeutsche übersetzt werden!

Bani Barfoot

Weitere Aufführungen: An den Sonntagen 3. u. 17.11., 1.12 jeweils um 17.00 Uhr; am 22., 25., 26., 29.10. sowie am 1., 5., 8., 9., 12., 15., 19., 22., 23., 26., 29.11. und am 3. und 6.12. jeweils um 19.30 Uhr. Kartenvorbestellung: ☎ 0421 - 17 19 44