piwik no script img

Bhv: „Schamloser“ Schulz schäumt

Das Nachrichtenmagazin „Focus“ berichtet über teures OB-Büro. OB Schulz will jetzt in die „Offensive“

Luxusbüro oder nicht? Diese heikle Frage kann jetzt jeder selbst beantworten

Wer kann schon von sich behaupten, neben Dieter Bohlen in der Bild gestanden zu haben. Jörg Schulz zum Beispiel. Der sozialdemokratische Oberbürgermeister Bremerhavens wurde gestern vom Boulevard-Massenblatt zum „Verlierer des Tages“ gekürt. Bohlen durfte sich hingegen als „Gewinner des Tages“ fühlen.

Als „schamlos“ bezeichnete die bundesweite Ausgabe des Springer-Blatts die horrend teure Einrichtung des Dienstzimmers von Schulz. Die Zahlen lieferte passenderweise der Focusin seiner gestrigen Ausgabe dazu. 46.000 Euro habe Schulz für die Möbel in seinem Büro ausgegeben. Das Bremerhavener Rechnungsprüfungsamt kommt in einem Entwurf eines Prüfungsberichts anhand von Quittungen zu dem Schluss, dass allein ein Regal im Dienstzimmer des OB 42.000 Mark gekostet hat. Schulz selbst wiederum behauptet, seine Möbel und die des Vorzimmers hätten insgesamt so viel gekostet. Bei den Veröffentlichungen handele es sich, so Schulz, um „eine konzertierte Aktion konservativer Medien mit der Bremerhavener CDU“, um von einer umstrittenen Personalie abzulenken. Begleitet von heftiger öffentlicher Kritik wurde nämlich kürzlich der Bremerhavener CDU-Chef J. Henry Wilhelms zum Geschäftsführer der Bremerhavener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (BVV) berufen. Übrigens von einem Aufsichtsrat, dessen Vorsitzender Schulz ist.

Der heftigen Kritik will der OB jetzt mit einer „Offensive“ begegnen: Luxusbüro oder nicht? Diese heikle Frage kann jetzt jeder für sich selbst beantworten. Am Mittwoch wird es einen Tag der offenen Tür geben, bei dem man sich von 15.30 Uhr bis 17.30 Uhr in Schulz’ Räumen umsehen kann: „Dabei werden sich die Besucher sicherlich davon überzeugen, dass von Luxus überhaupt keine Rede sein kann“, so Schulz.

Die zweite Offensive läuft gegen das Münchner Nachrichtenmagazin. Es würden juristische Schritte gegen Focus geprüft. „Frei erfundene Zahlen“ wirft Schulz dem Magazin vor.

Es ist nicht nur das Mobiliar, was den Bremerhavener Magistratschef in die Enge treibt. Im Focus erhebt der Fraktionschef der Bremerhavener CDU in der Stadtverordnetenversammlung, Paul Bödeker, den Vorwurf, Rechnungsprüfungsamtsleiter Rainer Mattern werde „gezielt gemobbt“. „Mit an den Haaren herbeigezogenen Disziplinarverfahren“ werde Mattern unter Druck gesetzt. Vehement gehe die SPD gegen den „unliebsamen Kontrolleur“ vor, so der Focus: „Stadtverordnetenvorsteher Artur Beneken ließ gar Matterns Privatleben ausforschen.“ Diese Vorwürfe gegen ihn und die SPD bezeichnet Schulz als „unappetitlich“ und „unhaltbare Unterstellung“. Schließlich sei das Disziplinarverfahren gegen Mattern 1999 von einem FDP-Oberbürgermeister eingeleitet worden, zu Zeiten einer Koalition aus CDU und AfB (Arbeit für Bremerhaven). Dabei verschweigt er jedoch, dass er regelmäßig neue Punkte ins laufende Disziplinarverfahren gegen Mattern einfließen lässt. Eine Tatsache, die auch der Untersuchungsausschuss „Rechnungsprüfungsamt Bremerhaven“ der Bremischen Bürgerschaft feststellte.

Dessen grüner Obmann, Manfred Schramm, sagt: „Dieser Rechnungsprüfungsbericht ist ein Fall von vielen“ – nur die Spitze des Eisbergs. Deshalb habe man den Untersuchungsausschuss eingerichtet, um alle Fälle beleuchten zu können. Die Kette der Verfehlungen des Bremerhavener Oberbürgermeisters sei schließlich lang.

Vielleicht hätte der mit Memoiren mehr Erfolg. Wenn die gut laufen, kann man bei Bild nämlich „Gewinner des Tages“ werden, so wie Dieter Bohlen, dessen Lebensgeschichte – O-Ton Bild – „die Bestsellerlisten stürmt“. Philipp Jahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen