: Gemeinnützige schlagen Alarm
Nach Plänen des Finanzministeriums sollen Unternehmen ihre Spenden künftig nicht mehr absetzen können
BERLIN taz ■ Es ist erst etwas mehr als die bilanzverdächtigen 100 Tage her, seit die versammelte Expertenschaft des Bundestages nach drei Jahren ihre Erkenntnisse präsentierte. Auf 429 Seiten legte die Enquetekommission zur „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ erstmals eine Bestandsaufnahme einer Arbeit vor, von der sich wegen ihrer enormen Kostengünstigkeit alle wünschen, dass sie massenhaft um sich greife. Ohne die zwanzig Millionen Bürger, die sich in ihrer Freizeit pflegebedürftigen Alten, betreuungsbedürftigen Kindern, Obdachlosen oder Kranken widmeten, so das Resümee, ginge eigentlich gar nichts. Um all diese freiwilligen Retter eines sozialen Staates besser zu stellen, wurde eine Aufwandspauschale für Ehrenamtler, aber auch eine Erhöhung des Steuerfreibetrags für gemeinnützige Organisationen gefordert.
Und nun? Passiert das genaue Gegenteil. Das lässt jedenfalls ein Blick in die Streichliste des Finanzministeriums vermuten: „Spendenabzug streichen“ steht da kurz und bündig unter der Rubrik „Körperschaftssteuergesetz“. In der Praxis hieße das: Ein Unternehmen könnte etwaige Spenden für „mildtätige, kirchliche, religiöse, wissenschaftliche und kulturelle Zwecke“ – und das sind in der Regel die, die Ehrenamtler beschäftigen – nicht mehr steuerlich absetzen. Davon betroffen wären vermutlich weniger die Unternehmen, die ihre Spendentätigkeit schlicht einstellen könnten, als jene geschätzten 500.000 Organisationen, die ihr Dasein mit Spendengeldern finanzieren: von der Asylberatung über das Straßenkinderprojekt bis zum ehrenamtlichen Zivil- und Katastrophenschutz. Außer sozialen sind vor allem kulturelle und wissenschaftliche Einrichtungen auf Spenden angewiesen. Weder Universitäten noch Theater kommen ohne aus. Nicht betroffen wäre nur das – allerdings auf gegenseitigen Verpflichtungen beruhende – Sponsoring.
Die simple Streichung der steuerlichen Abzugsfähigkeit sei ein „Schlag ins Gesicht für alle, die sich seit Jahren um eine sinnvolle Reform des Gemeinnützigkeitsrechts bemühen“, konstatierte Rupert Graf Strachwitz, Direktor des Berliner „Maecenata-Instituts für Dritter-Sektor-Forschung“, gestern vor der Presse. Strachwitz befürchtet nicht nur massive Einschnitte, sondern das schlichte Aus für zahllose karitative Projekte. Die offenbar von Finanzminister Eichel gehegte Hoffnung, Unternehmen würden auch ohne Erhalt einer Quittung spenden, sei „trügerisch“. Laut Strachwitz, selbst ehemaliges Mitglied der Enquetekommission, stammen schätzungsweise 600 Millionen der etwa fünf Milliarden Euro, die jährlich an Spendengeldern zusammenkommen, von Unternehmen.
Dabei handelt es sich nach Angaben von Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der „Deutschen Kinderhilfe Direkt“ mitnichten immer um Großunternehmen, die sich karitative Akte schon weiterhin irgendwie würden leisten können. Fast alle Spender für lokale Projekte seien klassische Mittelständler mit weniger als hundert Mitarbeitern.
JEANNETTE GODDAR
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