piwik no script img

Heirat barrierefrei

Rolli-FahrerInnen können kostenlos im Rathaus heiraten. Gehörlose müssen DolmetscherIn aber selbst bezahlen

Ein Mann trägt einen anderen die Freitreppe zu einem denkmalgeschützten Haus in der Hollerallee hinauf, ein dritter den Rollstuhl. Ohne Hilfe hätte der Getragene keine Chance, im Standesamt Bremen-Mitte seine eigene Trauung zu erreichen.

Dass RollstuhlfahrerInnen in Bremen nicht barrierefrei zum Ort ihrer Heirat gelangen können, hat jetzt die Bremische Bürgerschaft und den Senat beschäftigt. Auf eine kleine Anfrage der SPD musste CDU-Innensenator Kuno Böse einräumen, dass bisher „alle Bemühungen um Verbesserungen gescheitert“ seien.

Immerhin hat der Senat am Dienstag beschlossen, dass RollstuhlfahrerInnen sich ab sofort im Rathaus trauen lassen können, ohne die sonst geltenden Zusatzgebühren dafür bezahlen zu müssen – satte 350 Euro. Denn das Rathaus ist besser für RollstuhlfahrerInnen zugänglich als die Hollerallee.

Wilhelm Winkelmeier von „Selbstbestimmt Leben e.V.“, einem Zusammenschluss behinderter Menschen, kommentiert: „Es macht Hoffnung, dass der Senat schnell reagiert hat, ohne lange Abwehrgefechte. Aber eigentlich ist dieser Beschluss eine Selbstverständlichkeit.“ Das Rathaus sei im übrigen nicht barrierefrei, ergänzt er. Das würde nämlich bedeuten, dass RollstuhlfahrerInnen ohne Hilfe den Haupteingang benutzen könnten. Dafür fehle eine Rampe, sagt Winkelmeier, noch. Er ist sich sicher: „Die kommt, wenn das Landesgleichstellungsgesetz da ist.“

Während der Senat allmählich Barrieren für RollifahrerInnen abbaut, müssen sich gehörlose BremerInnen gedulden: Wollen sie heiraten, müssen sie eine hauptberufliche GebärdendolmetscherIn dabei haben – von ihnen selbst organisiert und bezahlt. Das berichtet Patrick George vom Landesverband der Gehörlosen. Das Bundesgleichstellungsgesetz erkenne die deutsche Gebärdensprache als Amtssprache an. „Unsere Folgerung daraus ist, dass dann auch das Amt für die Dolmetscher sorgen muss, und nicht die Gehörlosen“, sagt George. George setzt, genauso wie Winkelmeier, auf das Landesgleichstellungsgesetz: „Wenn wir das haben, muss das Amt dafür bezahlen.“ ube

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen