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Von Jägern und Stifthaltern

Verona Feldbusch und Sergio Aragonés geben zeitgleich eine Autogrammstunde

„Bitte keine Namen nennen“, quäkt Verona Feldbusch durchs Mikrofon, während sie in der Unterwäscheabteilung des Kölner Karstadt-Hauses Unterwäschefotos und Unterwäschekalender unterschreibt. „Widmungen würden zu lange dauern“, Frau Feldbusch steht nun mal mit der Sprache auf Kriegsfuß. Aber schließlich soll sie ja Werbung für Dessous machen und keine Romane schreiben. Schon gar keine wie ihr Exgatte. „Ihr Busen war so hochgequetscht wie zwei Knödel“, hechelte Dieter Bohlen zwischen die Buchdeckel seiner Autobiografie, und die Beschreibung trifft auch diesmal zu.

Gern hätte ich einem Freund und Feldbusch-Kenner ein Autogramm besorgt, doch die Schlange reicht bis ins Restaurant des Kaufhauses. „Hier ist ja mehr los wie im Stadion, wenn der FC spielt“, stellt ein älterer Herr neben mir fest. „Dafür sind Fußballfans zivilisierter“, entgegne ich. In sicherem Abstand beobachten wir das Gedränge. Die sensationslustige Masse, für die Verona Feldbusch eine Persönlichkeit und „RTL Explosiv“ ein Nachrichtenmagazin ist, kreist völlig aufgedreht um die Stifthalterin.

Ich habe genug gesehen. In der angrenzenden Abteilung für Damenoberbekleidung bemerke ich einen dösenden Hund, der von seinem närrischen Besitzer in eine Polizeiuniform gesteckt wurde. Während ich das Tier fotografiere, stößt ein Kamerateam des WDR dazu.

Ich verdrücke mich, denn ich bin weder wegen alberner Hühner noch wegen alberner Hunde hier. Eine Etage tiefer verteilt die MAD-Legende Sergio Aragonés Autogramme. Sein Name ist auf jedem Hinweisschild im Kaufhaus falsch geschrieben. Aragonés gilt als schnellster Cartoonist der Welt, und so hoffe ich, mehr als nur eine Unterschrift auf meinem mitgebrachten Heft zu ergattern: Es ist Nummer 335 der englischen Ausgabe – mit einem von Aragonés gezeichneten Cover. Anlass für seine kleine Deutschlandtour ist das 50-jährige Bestehen von MAD in diesem Monat. Zufälligerweise fällt sein Besuch auch zusammen mit der 50. Ausgabe der deutschen Version. Vor dem Tisch von Aragonés hat sich eine Schlange von etwa zwanzig Leuten gebildet. Die meist langhaarigen und bebrillten Comic-Fans in der Reihe sind so alt, dass sie die guten Zeiten von MAD Anfang der Achtzigerjahre als Jugendliche miterlebt haben. Trotzdem hat komischerweise keiner außer mir ein altes Heft dabei.

Nicht mal Karl-Heinz Vogel. Karl-Heinz Vogel ist 79 Jahre alt und Autogrammjäger. Die freundliche Person am Tisch mit dem prächtigen Schnurrbart, dem Pferdeschwänzchen und den weißen Reebok-Turnschuhen, die ihm eine schöne Zeichnung in seinem dicken Album hinterlässt, kennt er nicht. „Ich sammle auch Unterschriften von Sportlern. Ich gehe zu allen.“

Nicht nur der stark gehbehinderte Karl-Heinz Vogel bekommt ein kleines Bild angefertigt. Fast jeder darf wählen zwischen einem „Alfred E. Neuman“ oder „Groo, dem Wanderer“, der eigenen Comic-Reihe von Aragonés. Sonderwünsche von dummen Junglesern wie „einen schrägen Batman“ oder gar „Kelly Osbourne“ werden zu Recht abgelehnt. Bei Verona Feldbusch hätten diese unverschämten Rotzlöffel nicht mal eine unbeschriftete Autogrammkarte bekommen. Feldbusch, die 1998 in der ersten MAD-Ausgabe des Dino-Verlags behauptete, „früher alle MAD-Hefte gelesen zu haben“, interessierte sich leider nicht für eine Originalzeichnung. Gern hätte man erfahren, ob es für Aragonés schwieriger gewesen wäre, von ihr eine Karikatur anzufertigen, oder für sie, ihm eine Widmung zu schreiben.

CHRISTIAN JÖRICKE

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