Debüt mit ohrenbetäubender Anmut

Vergessene historische Instrumente: Als in der Welt der Musik Doesonium, Zapfophon und Zippinette den Ton angaben

Der Schwung derdrei Vollblutmusikerverstörtedas Publikum

Das Saxofon, die Erfindung des Alfonse Sax, hat in der über 160-jährigen Geschichte seines Bestehens einen beispiellosen Siegeszug durch die Musikwelt gehalten, Hugo Klars Klarinette ist heute in aller Munde, und alle Welt kennt den großen russischen Anarchisten und Flötenvirtuosen Sergej Block als Erfinder der Blockflöte.

Doch sollten wir nicht einmal all jener gedenken, deren Musikinstrumente, obgleich früher zum Teil hoch im Kurs, heute ein kümmerliches Mauerblümchendasein in den Instrumentensammlungen der Museen, weitab vom pulsierenden Geschehen in den Konzertsälen der Welt, fristen?

Wilhelm Tell ist der reiferen Jugend wohl noch in unguter Erinnerung aus dem Deutschunterricht, aber wer weiß denn heute, dass der schweizerische Freiheitsheld in seiner karg bemessenen Freizeit Muße fand, das musikalische Instrumentarium um sein Tellefon zu bereichern? Und war es nicht ein für das mitteleuropäische Musikleben denkwürdiger Tag, jener 16. August 1911, als Georg Zapf sich mit seinen Kompagnons Hugo Zipp und Gottlieb Doese zusammentat und dem nicht wenig erstaunten Publikum des Cannstatter Kursaals ein Ständchen auf den eigenhändig gefertigten Instrumenten brachte. Sicher fehlte jenem „Trio für Tenorzapfophon, Zippinette und Bass-Doesonium“, mit dem sie vor den entgeisterten Zuhörern debütierten, noch die letzte kammermusikalische Anmut, aber der jugendliche Schwung der drei Vollblutmusikanten machte dies mehr als wett und gab zu großen Hoffnungen Anlass.

Der Erste Weltkrieg jedoch machte ihre kühnsten Pläne und Hoffnungen jäh zunichte. Die oberste Heeresleitung hatte von den irritierenden Wirkungen der neuen Instrumente Wind bekommen und setzte Gottlieb Doese und Hugo Zipp zur Zermürbung des Gegners ein. Zipp und Doese verhalfen so der psychologischen Kriegsführung zu einem frühen Durchbruch. Zwar verlief ihre musikalische Mission hinter den feindlichen Linien durchaus erfolgreich – allein vor Valmy sollen sich 200 französische Infanteristen nach einer durchmusizierten Nacht den Deutschen kampflos ergeben haben –, doch ernüchtert von der Entweihung ihrer künstlerischen Ausdrucksformen rührte nach dem Krieg keiner von beiden je wieder sein Instrument an. So kam es, dass Doesonium wie Zippinette, die so manchem französischen Infanteristen deutsches Liedgut näher gebracht hatten, auf dem Schrotthaufen der Musikgeschichte landeten.

Einzig Schorsch Zapf machte als Leiter des Musikkorps der Schweren Reiter Karriere: Der von ihm eingeführte Zapfenstreich, auch dies ein Beweis seiner vielfältigen musikalischen Talente, ist heute aus dem militärischen Musikgeschehen nicht mehr wegzudenken. Seine Kompositionen für Zapfofon jedoch gelangen nur noch vereinzelt zur Aufführung. Und das ist, wie jeder Kenner des Zapf’schen Oeuvres bestätigen wird, jammerschade. RÜDIGER KIND