: Verfassungsrichter stärken Länderrechte
Urteil zur Altenpflege: Der Bund darf nur regeln, was „zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit“ nötig ist
KARLSRUHE taz ■ Ein fein austariertes Urteil. Den konkreten Rechtsstreit hat der Bund gewonnen, in der Begründung wurden aber die Länder langfristig gestärkt. Das Bundesverfassungsgericht hat gestern die Klage Bayerns gegen das neue Altenpflegegesetz weitgehend abgewiesen.
Das neue Gesetz will den Altenpflegeberuf attraktiver machen, um einen Pflegenotstand zu vermeiden. Während bisher jedes Land seine eigene Regelung hat, soll künftig ein einheitlicher Standard sicherstellen, dass der Berufsabschluss auch in anderen Bundesländern anerkannt wird. Außerdem soll das Gesetz eine höhere Qualifikation der Altenpflegekräfte garantieren. Die neue dreijährige Ausbildung zwingt insbesondere Bayern mit seiner bisher noch zweijährigen Ausbildung zu erheblichen Umstrukturierungen.
Der Freistaat hatte deshalb in Karlsruhe geklagt und dem Bund vorgeworfen, er habe überhaupt keine Kompetenz, ein Altenpflegegesetz zu erlassen. Im Ergebnis hatte Bayern mit dieser Klage nun aber keinen Erfolg. Das Verfassungsgericht entschied, dass der Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung durchaus besaß und diese auch nutzen durfte.
Zunächst stellte Karlsruhe fest, dass die Altenpflege inzwischen so hohe Anforderungen stelle, dass man sie durchaus den Heilberufen zuordnen könne. Damit hatte der Bund die erste Hürde übersprungen, denn das Recht der Heilberufe darf der Bund regeln, während für soziale Pflegedienste ausschließlich die Länder zuständig sind. Allerdings hat der Bund bei den Pflegediensten nur eine „konkurrierende“ Kompetenz. Das heißt, er darf nur dann Gesetze beschließen, wenn eine bundesgesetzliche Regelung auch „erforderlich“ ist. Früher spielte diese zweite Hürde keine Rolle, denn das Verfassungsgericht billigte dem Bund einen weiten „Beurteilungsspielraum“ zu. Doch 1994 wurde das Grundgesetz im Interesse der Länder verschärft, und Karlsruhe musste die neue Bestimmung nun zum ersten Mal anwenden.
Das Gericht erklärte dabei, es werde die Zulässigkeit von Bundesgesetzen künftig intensiver prüfen als bisher. Und auch die Maßstäbe des Grundgesetzes wurden präzisiert. Danach gilt etwa die „Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit“ nur dann als Grund für ein Bundesgesetz, wenn eine Rechtszersplitterung nicht hinnehmbar wäre oder „erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft“ drohen.
Das Altenpflegegesetz ließ Karlsruhe allerdings passieren, da es zur „Wahrung der Wirtschaftseinheit“ notwendig sei. Ohne einheitliche Ausbildungsstandards hätten AltenpflegerInnen weiter Nachteile auf dem Arbeitsmarkt. Recht bekam Bayern nur in einem Punkt: Für Altenpflege-HelferInnen ist der Bund nicht zuständig, da es sich hier nicht um einen Heilberuf handele. CHRISTIAN RATH
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